Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
Räumen, wo die beiden Flüchtigen erschöpft auf ihre Lager fielen. Endlich waren sie in Sicherheit.
Erst lange nach der Mittagsstunde erwachte Jakob Herms aus seinem Rausch. Er fluchte. Dieser verdammte Schreiber, dieses dünne Gestell! Wie hatte der ihn bloß derart unter den Tisch saufen können? Er hatte Kufner unterschätzt. Schwindelig setzte sich Herms auf, schaffte es jedoch es erst nach einigen Minuten, sich zu erheben. Dann taumelte er nach draußen, um sich – wieder einmal – mit kaltem Wasser Linderung zu verschaffen. Doch heute half auch das mehrfache Eintauchen des Kopfes in eiskaltes Brunnenwasser wenig. Stöhnend rieb sich Jakob Herms die schmerzenden Schläfen. Es war einfach zu viel Bier gestern Abend gewesen.
Nach seiner spärlichen Morgentoilette ging er zurück, um nach Ambrosius Kufner zu sehen. Auch ihm konnte es nach diesem Saufgelage nicht viel besser gehen. Jakob Herms klopfte an die Tür zur Kammer der Kufners, doch es blieb still. Niemand antwortete, nichts regte sich.
„Kufner, Kufner! Öffnet die Tür! Euer Freund im Leiden ist’s“, rief Jakob Herms aufgesetzt scherzend und mit heiserer Stimme. Er lauschte, doch noch immer rührte sich nichts in der Kammer. Er klopfte noch einmal, diesmal stärker, und horchte erneut. Nichts.
Jakob Herms öffnete vorsichtig die Tür und traute seinen Augen nicht: Die Kammer war leer. Ihn beschlich ein furchtbarer Verdacht. Hastig stolperte er zur Gaststube und riss die Tür zur Schankwirtschaft fast aus den Angeln.
„Wo sind die beiden aus der Kammer neben mir?“, schrie er den Wirt an.
Dieser blickte kurz auf. „Bei uns in Dieburg wünscht man sich zuerst einen guten Morgen, dann stellt man Fragen – und dies auch in einem anderen Ton guten Leut’ gegenüber.“
Jakob Herms war außer sich. Seine dünnen, blassen Lippen zitterten. Es war ein wahrlich schlechter Tag, um mit ihm zu diskutieren. Er riss seinen Dolch aus der Scheide, sprang zum Wirt, packte ihn am Kragen und hielt ihm den Dolch an den Hals.
„Und bei uns in Langen antwortet man auf Fragen, weil man sonst seinen Kopf verlieren kann“, presste Herms wütend hervor.
Die übrigen Gäste waren erschreckt aufgesprungen. Der Wirt, anfangs noch erschrocken, fasste sich recht schnell wieder.
„Ja, das ist mir schon zu Ohren gekommen, wie es bei euch in Langen zugeht“, sagte er. „Doch hier sind wir zum Glück in Dieburg, nicht wahr? Also nehmt Eure Pfoten von mir und steckt den Dolch weg. Und wenn Ihr es unbedingt wissen wollt und mich so freundlich danach fragt, will ich Euch die Antwort nicht schuldig bleiben: Die beiden sind fortgeritten. Und ich will Euch auch gleich sagen, dass ich nicht weiß, wohin. Sie haben es mich nämlich nicht wissen lassen.“
Jakob Herms ließ den Wirt los und stand einen Augenblick wie erstarrt dar. Die Hand mit dem Dolch sank herunter. In seinem Kopf irrten die Gedanken hilflos umher. Schließlich begriff er, was das für ihn bedeutete. Er hatte versagt. Er musste fort – und zwar schnell. Mit zitternden Fingern kramte er etwas Geld hervor und legte es auf den Tisch.
Der Wirt grinste: „Steckt es wieder weg. Der freundliche Herr und seine Tochter haben bereits alles bezahlt. Und ich soll ausrichten, dass sie Euch noch einen schönen Aufenthalt in Dieburg wünschen.“
Jakob Herms stürzte nach draußen, verfolgt vom dröhnenden Gelächter des Wirtes und der Gäste. Er stürmte über den Hinterhof in seine Kammer und suchte hastig seine Sachen zusammen. Dann schwang er sich auf sein Pferd und ritt, wie vom Teufel gejagt, aus der Stadt. Noch in Sichtweite von Dieburg zügelte er sein Pferd und versuchte zu überlegen. Wohin waren sie geritten? Nach Langen zurück? Wohl kaum. Doch in welche Richtung sollte er sich wenden, um sie zu finden?
Herms war völlig ratlos. Er hatte die Kufners verloren und seinen Auftrag nicht erfüllt. Das hieß, er konnte nun ebenfalls nicht mehr nach Langen zurückkehren. Vogt Etzelroth würde ihn wahrscheinlich eigenhändig umbringen, wenn er von seinem Versagen erführe. Weg, nur weg, dachte er und trieb sein Pferd an. Er galoppierte in Richtung Süden davon.
Am Waldsaum, etwa auf der Höhe des Dieburger Schießgrabens, aber gut und gerne einige hundert Schritte entfernt, schnaubte ein schwarzer Hengst mit geblähten Nüstern und schüttelte unruhig den Kopf. Sein Reiter trug einen schwarzen Umhang und einen ebensolchen Rock, das Gesicht verbarg ein großer schwarzer Hut. Am Waffengürtel
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