Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz

Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz

Titel: Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alf Leue
Vom Netzwerk:
andere gesehen hat. Nicht mehr und nicht weniger.“ Petz blickte Berthold ernst an und fuhr fort: „Nutze die Gelegenheit, zu reifen und deine Ahnungen als Gabe zu begreifen. Füge sie zu einem Bild zusammen, höre auf dein Innerstes und lass dir deinen weiteren Weg zeigen. Diese Aufgabe kannst du besser ohne mich erledigen. Ja, du kannst sie nur ganz alleine bewältigen.“
    „Wie meinst du das?“
    „Ich denke, du bist ein besonderer junger Mann in einer schwierigen Lage, ausgestattet mit einer seltsamen und doch bemerkenswerten Fähigkeit der Eingebung, die ich so zuvor noch nie gesehen habe. Ist nicht auch in dir der sehnliche Wunsch erwachsen, das alles zu begreifen, dich selbst besser zu verstehen und damit auch die Umstände, die dich ins Unglück gestürzt haben?“
    Als Berthold nickte, fuhr Petz fort: „Deshalb musst du die Wahrheit suchen – in dir selbst und in der Welt. Ganz gleich, was auch geschieht. Denn nichts ist reiner als die Wahrheit. Doch um sie zu finden, musst du alles, an was du gerade glaubst, nur weil es dir niemand besser sagen konnte oder wollte, vergessen.
    Die Wahrheit ist nur deshalb oft ein Geheimnis, weil sie niemand sehen will oder darf. Weil sie für viele Menschen unerträglich ist – und für manche eben so gefährlich, dass sie sie vertuschen wollen. Denn die Wahrheit entzaubert unerbittlich jede Lüge und verändert alles, wenn man sie findet. Deshalb fürchten sie viele Menschen. Doch sie ist das Schöne, das Absolute, Ewige und Unveränderbare. Sie war schon im Anbeginn der Zeit und wird noch sein, wenn unsere Hüllen sich längst in Staub aufgelöst haben. Sie ist der Augenblick und die Ewigkeit. Und wenn du sie erkennst, wirst du sehen, dass das ein und dasselbe ist.
    Du musst sie suchen, Berthold. Und wenn du sie eines Tages findest, mag es sein, dass sie dir unvermittelt ins Gesicht springt wie ein wildes Tier. Sie wird dich vielleicht zerfleischen, auffressen und nichts mehr von dir übriglassen. Du wirst sie vielleicht nicht wahrhaben wollen und sie leugnen. Ja, gut möglich, dass du die Erkenntnis behandeln wirst wie einen ungebetenen Gast, wie einen Dieb, der dir die Schönheit und Sicherheit deines bisherigen Lebens rauben will.“
    Es war anstrengend, Petz’ sabbernder Stimme zu folgen, und Berthold musste sich stark konzentrieren. Doch zugleich spürte er die Kraft, die von Petz’ Worten ausging. Dieser fuhr eindringlich fort: „Du hast dich in Babenhausen dafür entschieden, wissen und erkennen zu wollen. Deshalb darfst du nicht verzagen, hörst du? Nicht jetzt und auch nicht später. Nur weißt du erst ein klein wenig und hast noch nichts erkannt. Nutze also deine Ahnungen und alles, was bislang in deinem Leben vorgefallen ist, um dir den Weg zur Erkenntnis zu ebnen. Benutze dein Herz mehr als deinen Verstand. Vertraue auf dich selbst und auf deine Gabe. Du bist einer von wenigen Auserwählten, der sie besitzt.“
    „Welche Ahnungen und Vorfälle meinst du genau, Petz?“
    „Du hast mir einmal davon erzählt, dass dir deine Mutter ein Geheimnis verriet, kurz bevor du fortgegangen bist.“
    „Ja, das stimmt“, erwiderte Berthold und sah sich nach seinem Lederbeutel um, in dem sich die Kräuter des lahmen Franz befanden.
    „Und du hast auch eine Aufgabe, die damit verbunden ist, nicht wahr?“
    „Du meinst den rätselhaften Vers von Franz, den mir meine Mutter gesagt hat?“
    „Ja, den Vers.“
    „Aber ich verstehe ihn nicht.“
    „Ich auch nicht. Aber du hast Zeit. Nutze sie. Versuche das Rätsel zu lösen und du wirst vielleicht die Wahrheit finden – und deine Bestimmung in diesem Leben.“
    Berthold schwieg und war verwirrt. Es war zu viel auf einmal gewesen. Er verstand ja nicht einmal sich selbst, wie sollte er dann die Welt verstehen? Petz bemerkte seine Verunsicherung. Er faltete die Hände, stützte sich mit seinen mächtigen, behaarten Unterarmen auf dem Tisch auf und beugte sich zu Berthold. Sein Gesicht war so nah an Bertholds, dass dieser ihn riechen konnte. Er flüsterte: „Berthold, wenn ich es dir doch bloß erklären könnte, aber ich kann es nicht. Ich bin so hilflos wie du selbst. Ich habe nur etwas mehr Erfahrung in meinem Leben sammeln können und habe begriffen, dass man seine scheinbar unlösbaren Probleme und wirren Gefühle am besten angeht, indem man einen Schritt zurücktritt und in sich selbst hineinblickt.
    Und selbst wenn ich eine Erklärung für all das hätte, was gerade in deinem Leben passiert und dich

Weitere Kostenlose Bücher