Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
umtreibt, so würdest du wohl meine Worte verstehen, aber nicht ihre Bedeutung. Du würdest hören, nicht fühlen. Deine Gabe zu haben, heißt Macht zu haben. Oder was glaubst du, warum sie alle hinter dir her sind, du Tölpel? Diese Macht wiederum bedeutet Verantwortung. Doch wenn du diese Verantwortung zurückweist, dann war vielleicht alles umsonst. Alles, wofür du gekämpft hast, alles, wofür deine Eltern, Franz, Katharina und ihr Vater und all die anderen Namenlosen gelitten haben, könnte vergebens gewesen sein. Verstehst du? Du musst diese Verantwortung übernehmen!“
Berthold schüttelte den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
„Natürlich liegt jetzt vor dir ein Berg, ach, was sage ich, ein Gebirge, das du erklimmen musst, bevor du von oben hinab ins Tal blicken kannst. Aber du bist jung, du bist ungestüm, du bist tapfer – also habe Mut und glaube an dich! Berthold, du musst jetzt die Füße voreinander setzen und gehen. Suche dir deinen Pfad, mitten durch die dunklen Höhen, durch tiefe Schluchten, vorbei an Klippen und Abhängen. Aber geh dabei auch vorsichtig und achte darauf, dass du nicht stürzt. Denn Wahrheit und Erkenntnis zu erlangen heißt vor allem auch, Ruhe zu bewahren und sein Ziel trotz aller Schwierigkeiten fest im Auge zu haben – wie ein guter Schütze, der du ja schließlich bist. Atme ruhig, sieh auf das Ziel, bewege das, was nötig ist, alles andere vergiss einfach!“
Petz lehnte sich zurück und fuhr sich mit dem Hemdsärmel über den Mund, wo sich vom vielen Reden der Speichel vermischt mit dem Bierschaum in den Mundwinkeln gesammelt hatte. Dann nahm er seine ursprüngliche Position wieder ein und fuhr fort: „Aber das ist nicht, was du hören wolltest, nicht wahr? Ich habe dir zwar gesagt, wie du gehen musst, nur willst du natürlich auch wissen, wohin du gehen musst und wo deine Reise enden wird. Nun, ich weiß es auch nicht. Ich kann dir nur sagen: Verbünde dich mit dem Schicksal und der Wahrheit. Sie umgeben alles und jeden von uns, jedes Ding, egal wie klein oder unbedeutend es auch sein mag. Selbst die Sonne und alle anderen Gestirne, und seien sie auch noch so weit entfernt. Das Schicksal und die Wahrheit sie überall, sie umfließen und durchströmen uns. Sie sind der feine Nebel aus unzählbar vielen Tautröpfchen aus Wissen und der Erkenntnis des Seins. Sie stecken als Seele in jeder Schneeflocke, in jedem Stein und allen Wassern“.
„Also Gott?“, warf Berthold ein.
Petz griff sich verzweifelt an den Kopf und raufte sich die Haare. „Ich hatte gehofft, du würdest Gott aus dem Spiel lassen, aber ich hätte es wissen müssen.“
Er fasste sich wieder und fuhr fort: „Die Antwort ist Ja und Nein. Schicksal und Wahrheit sind nicht Gott, aber sie sind doch ein Teil der Allmacht. Und ein jeder von uns trägt den Keim der Erkenntnis in sich, die Fähigkeit, die Wahrheit zu entdecken. Und wenn du willst, dass aus diesem Keim vielleicht einmal ein mächtiger Baum wird, dann musst du dieses kleine Pflänzchen, das gerade in dir sprießt, hegen und pflegen. Irgendwann wird es dann seine stolze Krone über den niedrig wogenden Wald der Erkenntnislosigkeit erheben, höher und höher hinaus, mächtiger als das dichte Gestrüpp aus gierigem Klerus, verlogenen Lehren und weltlichem Gehabe zu seinen Füßen, dass ihm die Sonne zu rauben versucht.
Glaube, was du willst. Glaube an Gott oder lass es, aber verleugne nie die Macht des Schicksals und der Wahrheit, die ureigensten Mächte aller Existenz.“
„Aber wer hat Schicksal und Wahrheit geschaffen?“
„Nun, vielleicht war es Gott“, antwortete Petz, „aber glaube mir, das ist einerlei. Weil dies genau das Übel aller Religion ist: die Anmaßung zu glauben, dass man als einfacher Mensch Gott begreifen könne. Selbst ich habe keine Ahnung von Gott, ich kann nur vermuten, glauben und hoffen. Und glaube mir, ich weiß auch nicht mehr als die meisten, obwohl ich lange Jahre Gott gesucht und ihm gedient habe, so gut ich es vermochte. Und doch habe ich immer versucht, zu sehen und zu erkennen. Nur ist es so“, Petz lächelte, „ich sehe im Gegensatz zu dir nicht so viel! Aber das spielt keine Rolle. Denn du bist der, der sieht. Und entscheidend ist nur, was du daraus machst. Erinnerst du dich noch, dass du mich einmal auf unserem Übungsplatz im Wald bei Babenhausen gefragt hast, ob alles möglich sei?“
Berthold nickte.
„Und was habe ich darauf geantwortet?“
Berthold dachte kurz nach
Weitere Kostenlose Bücher