Schattenfeuer
scharfe Klingen übereinanderschabten.
Er bemerkte den Kasten einer Alarmanlage neben der Tür, doch offenbar war sie nicht eingeschaltet, denn keine der kleinen Anzeigelampen leuchtete.
Die junge Frau zögerte kurz, bevor sie die Tür aufzog und im Foyer das Licht einschaltete. Als sie das Haus betrat, hielt sie die Pistole schußbereit in der Hand. Ben folgte ihr.
Nichts rührte sich in der Villa. Stille herrschte.
»Ich glaube, wir sind allein«, sagte Rachael.
»Hast du etwas anderes erwartet?« fragte Ben.
Sie gab keine Antwort.
Aber obgleich sich außer ihnen anscheinend niemand im Haus befand, ließ Rachael die Waffe nicht sinken.
Langsam schritten sie von Zimmer zu Zimmer, und Rachael schaltete überall die Lampen ein. Im hellen Schein wirkte das Innere der Villa noch eindrucksvoller. Die Räume waren groß und hoch, wiesen weiße Wände und breite Fen ster auf. Mexikanische Fliesen bedeckten den Boden. An einigen Stellen sah Ben wuchtige Kamine aus Stein oder Kera mik, und hier und dort fiel sein Blick auf massive Eichenschränke mit kunstvollen Verzierungen. Das Wohnzimmer und die daran angrenzende Bibliothek hätten zweihundert Personen mehr als genug Platz geboten.
Ein großer Teil der Einrichtung war ebenso modern und funktionell wie die allgemeine Architektur, die aufgrund seiner Vergangenheitsorientierung ein gewisses Unbehagen in Ben weckte. Das Sofa und die Polstersessel zeichneten sich durch völlig glatte Konturen aus. Die kleinen und größeren Beistelltische mit den entweder weißen oder schwarzen Glasflächen waren ebenfalls schlicht.
In einem auffallenden Gegensatz zu dem zurückhaltenden Dekor standen einige elektrische Kunstwerke und Antiquitäten, ebenso wertvoll wie einzigartig. Der einfache Hintergrund diente ihnen gewissermaßen als Bühne: Die meisten wurden indirekt beleuchtet, und in einigen Fällen fiel das Licht an der Decke befestigter Minispots auf sie. Über einem Kamin sah Ben ein Fliesenbild von William de Morgan, das, wie Rachael behauptete, einst Zar Nikolaus I. gehört hatte. Hier ein Jackson Pollock-Gemälde, dort eine aus Marmor bestehende römische Büste, die aus dem ersten Jahrhundert vor Christus stammte. Altes vermischte sich mit Neuem, in einer ebenso verwirrenden wie interessanten Anordnung.
Zwar wußte Ben, daß Rachael mit einem sehr reichen Mann verheiratet gewesen und am Morgen dieses Tages zu einer vermögenden Witwe geworden war, aber bisher hatte er noch nicht drüber nachgedacht, was das für ihre Beziehung bedeutete. Ihr neuer Status kam einem Ellenbogenhieb gleich, der ihn in der Seite traf und zusammenzucken ließ. Reich. Rachael besaß mehr Geld, als sie jemals ausgeben konnte.
Ben fühlte das Bedürfnis, irgendwo Platz zu nehmen und gründlich darüber nachzudenken, welche Konsequenzen sich aus Rachaels Reichtum für sie beide ergeben mochten. Er nahm sich vor, ganz offen mit ihr darüber zu sprechen. Andererseits: Dies war weder der geeignete Ort noch der richtige Zeitpunkt für eine solche Diskussion, und deshalb beschloß er, sie auf später zu verschieben. Was ihm einige Probleme bescherte: Von einer Summe, die sich auf viele Millionen Dollar belief, ging eine magnetische Anziehung aus, die nicht ohne Wirkung auf die Überlegungen blieb, ungeachtet aller anderen dringenden Angelegenheiten, die Aufmerksamkeit erforderten.
»Du hast hier sechs Jahre lang gelebt?« fragte Ben ungläubig, als sie durch die kühlen, sterilen und alles andere als gemütlichen Zimmer schritten.
»Ja«, bestätigte Rachael. Während sie ihre Besichtigungstour fortsetzten, entspannte sie sich nach und nach. Offenbar drohte in dem Haus keine Gefahr irgendeiner Art. »Sechs lange Jahre.«
Sie sahen sich weitere weiße Zimmer und Räume an, und Ben hielt die Villa immer weniger für ein Heim, verglich sie mit einem Eis palast, in dem alle Gefühle früher oder später erstarren mußten.
»Es ist... unheimlich«, sagte er schließlich.
»Eric hatte nie Interesse an einem gemütlichen Zuhause. Eigentlich wurde ihm seine Umgebung nur selten voll bewußt. Er lebte in der Zukunft, nicht in der Gegenwart. Das Haus sollte ihm nur als Monument für seinen Erfolg dienen und ich glaube, diesen Zweck erfüllt es auch.«
»Ich hatte erwartet, irgendwo eine Spur von dir zu finden, eine persönliche Note, die du hier hinterlassen hast. Aber man könnte meinen, du hieltest dich jetzt zum erstenmal in dieser Villa auf.«
»Eric erlaubte es mir nicht, die Einrichtung oder das
Weitere Kostenlose Bücher