Schattenfeuer
Dekor zu verändern«, sagte Rachael.
»Und damit hast du dich abgefunden?«
»Mir blieb keine andere Wahl.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß du an einem so frostigen Ort glücklich gewesen bist.«
»Oh, ganz so schlimm war es nicht. Es gibt viele wundervolle Dinge in diesem Haus. Und jedes einzelne verdient es, sich eingehend damit zu befassen.«
Rachaels Fähigkeit, selbst unter schwierigen Umständen positive Aspekte nicht aus den Augen zu verlieren, erstaunte Ben immer wieder. Sie gab sich alle Mühe, unangenehmen Faktoren keine Beachtung zu schenken und sich statt dessen ganz auf das zu konzentrieren, was ihr Freude bereitete. Ihre gegenwartsorientierte Persönlichkeit stellte einen überaus wirksamen Schutz vor den Launen des Schicksals dar.
Am Ende des Erdgeschosses, in einem Zimmer, von dem aus man auf den Swimming-pool sehen konnte, entdeckte Ben das größte Schmuckobjekt im Haus: einen langen, mit gewölbten Beinen ausgestatteten Billiardtisch aus dem späten neunzehnten Jahrhundert. In dem dunklen und massiven Teakholz zeigten sich komplexe Verzierungen und Dutzende von glitzernden Halbedelsteinen.
»Eric hat nie Billiard gespielt«, sagte Rachael. »Ihm kam es nur darauf an, daß dieser Tisch mehr als dreißigtausend Dollar kostete. Ein weiteres Statussymbol.«
»Je mehr ich von dem Haus sehe, desto besser verstehe ich ihn«, erwiderte Ben. »Und um so rätselhafter wird es mir, warum du ihn geheiratet hast.«
»Ich war jung und wußte nicht so recht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Vielleicht suchte ich nach einer Vaterfigur, die ich nie hatte. Eric gab sich ruhig und völlig selbstsicher. Ich sah einen Mann in ihm, der über Macht verfügte, der mir Halt geben konnte. Damals glaubte ich, allein das genüge mir, um glücklich zu sein.«
Rachaels Worte ließen den Schluß zu, daß sie eine schwierige Kindheit und Jugend hinter sich hatte, und Ben sah seinen früheren Verdacht bestätigt. Nur selten erzählte sie von ihren Eltern oder der Schulzeit. Offenbar waren ihre diesbezüglichen Erfahrungen so negativ gewesen, daß Rachael alles Vergangene verabscheute und der Zukunft mißtraute
eine einleuchtende Erklärung für ihren ausgeprägten Gegenwartsfokus, der in diesem Zusammenhang die Bedeutung eines psychisch-emotionalen Sicherheitsmechanismus gewann.
Ben wollte gerade Anstalten machen, dieses Thema anzusprechen, als sich die Stimmung jäh änderte. Kurz bevor sie das Haus betraten, hatte er das Gefühle einer drohenden Ge fahr gehabt -ein Empfinden, das während ihrer Wanderung durch die weißen Zimmer allmählich nachließ, als sie feststellten, daß sich außer ihnen niemand in der Villa aufhielt. Jetzt aber verdichtete sich die Aura der Bedrohung schlagartig. Aus weit aufgerissenen Augen starrte Rachael auf drei deutlich sichtbare Fingerabdrücke an der Armlehne des Sofas: drei kirschrote Flecken auf dem schneeweißen Polster. Blut?
Rachael ging in die Hocke, betrachtete die Abdrücke aus der Nähe und schauderte. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch, als sie sagte: »Verdammt, er ist hier gewesen. Das hatte ich befürchtet. O Gott! Irgend etwas geschah hier...« Sie berührte einen der Flecken, zog die Hand sofort wieder zurück und erbebte am ganzen Leib. »Feucht. Mein Gott, sie sind noch feucht.«
»Wer war hier?« fragte Ben. »Und was ist geschehen?«
Rachael blickte auf ihre Fingerspitze, und ihr Gesicht wurde zu einer Fratze des Entsetzens. Langsam hob sie den Kopf und sah Ben an, der neben ihr stand. Einige Sekunden lang glaubte Shadway, sie sei erschrocken genug, um ihm endlich alles zu sagen und ihn um Hilfe zu bitten. Doch Rachael atmete nur tief durch und beherrschte sich.
»Komm«, forderte sie ihn auf. »Sehen wir uns den Rest des Hauses an. Und sei um Himmels willen vorsichtig.« Er folgte ihr und stellte fest, daß Rachael die Pistole nun wieder schußbereit in der Hand hielt.
In der großen Küche, die fast ebenso gut ausgestattet war wie die eines Restaurants, entdeckten sie Glassplitter auf dem Boden. In der Tür, die auf den Innenhof führte, fehlte eine Scheibe.
»Ein Alarmsystem nützt nichts, wenn es ausgeschaltet bleibt«, stellte Ben fest. »Ich frage mich, warum Eric fortging, ohne seine Villa zu schützen...«
Rachael antwortete nicht. »Ein Mann wie er verzichtet doch sicher nicht auf Hausangestellte, oder?« »Nein«, sagte Rachael. »Ein nettes Pärchen wohnt in einem Apartment über der Garage.« »Wo sind die Leute jetzt?
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