Schattenfeuer
Hätten sie nicht das Klirren der Scheibe hören müssen?«
»Am Montag und Dienstag haben sie frei«, erklärte Rachael. »Sie fahren oft nach Santa Barbara zur Familie ihrer Tochter.«
»Ein Einbruch«, sagte Ben und deutete auf die Glassplitter. »Sollten wir jetzt nicht die Polizei verständigen?«
»Laß uns oben nachsehen«, entgegnete die junge Frau. Furcht vibrierte in ihrer Stimme. Und noch schlimmer als das: Sie wirkte plötzlich so ernst und grimmig und düster, daß man den Eindruck gewinnen konnte, sie würde nie wieder lachen.
Die Vorstellung einer Rachael, die nicht mehr lachte, empfand Ben als unerträglich.
Vorsichtig stiegen sie die Treppe hoch, schritten wachsam durch den Flur im ersten Stock und sahen sich in den Zimmern um.
Zuerst schien alles in Ordnung zu sein, und sie konnten nichts finden, was auf die Anwesenheit eines Einbrechers hingedeutet hätte. Dann betraten sie das größte Schlafzimmer, in dem absolutes Chaos herrschte. Der Inhalt des Wandschranks -Unterwäsche, Hosen, Hemden, Pullover, Schuhe, Krawatten und viele andere Dinge -bildeten eine wirre Masse. Einige Decken, Laken und Kissen lagen auf. dem Boden. Irgend jemand hatte die Matratze von den teilweise gesprungenen Federn gezerrt. Nur noch Splitter erinnerten an zwei schwarze Keramikplatten. Überaus kostbare Gemälde waren von den Wänden gerissen und zerstört worden.
Ben spürte, wie es ihm kalt über den Rücken lief.
Auf den ersten Blick betrachtet hatte er angenommen, der unbekannte Eindringling hätte eine systematische Suche nach Wertgegenständen durchgeführt, doch als er sich das Durcheinander genauer ansah, schüttelte er den Kopf. Alles deutete auf eine Orgie der Wut oder des Hasses hin. Sonderbar. Und gefährlich.
Mit einer Tollkühnheit, die sich ganz offensichtlich auf Furcht gründete, sprang Rachael ins nahe Bad. Von einem Einbrecher keine Spur. Die junge Frau seufzte und kehrte blaß ins Schlafzimmer zurück.
»Erst die zerbrochene Scheibe in der Küche und hier Vandalismus«, sagte Ben. »Soll ich die Polizei anrufen, oder willst du das selbst übernehmen?«
Rachael achtete gar nicht auf seine Frage und zog die Türen des großen Wandschranks auf. Nach einigen Sekunden drehte sie sich um. »Der Safe ist offen und leer.«
»Also nicht nur Einbruch, sondern auch Raub. Jetzt müssen wir die Polizei verständigen, Rachael.«
»Nein«, sagte sie.
»Warum nicht?« Ben sah sie groß an.
»Wenn ich die Polizei einschalte, werde ich bestimmt umgebracht. « Shadway zwinkerte. »Umgebracht? Von wem? Den Polizisten? Lieber Himmel, drück dich doch endlich klarer aus!«
»Nein, nicht von den Polizisten.«
»Von wem dann? Und warum?«
Nervös kaute Rachael auf dem Daumennagel der linken Hand. »Ich hätte dich auf keinen Fall hierher mitnehmen dürfen«, sagte sie schließlich.
»Daran läßt sich jetzt nichts mehr ändern. Rachael, hältst du jetzt nicht den Zeitpunkt für gekommen, mir reinen Wein einzuschenken?«
Sie ignorierte seine Bitte. »Die Garage. Laß uns nachsehen, ob einer der Wagen fehlt.« Unmittelbar im Anschluß an diese Worte sauste sie aus dem Zimmer. Es blieb Ben keine andere Wahl, als ihr zu folgen.
Ein weißer Rolls-Royce. Ein Jaguar, ebenso grün wie Rachaels Augen. Dann zwei leere Boxen. Und auf der letzten Abstellfläche ein verstaubter, zehn Jahre alter Ford mit abgebrochener Antenne.
»Eigentlich müßte auch ein schwarzer Mercedes 560 SEL hier sein«, sagte Rachael. Ihre Stimme hallte hohl von den Wänden der Garage wider. »Eric ist damit in die Stadt gefahren, zur Anwaltskanzlei. Nach dem Unfall, nach Erics Tod, bot mir der Rechtsanwalt Herb Tuleman an, den Wagen zu rückfahren und in der Garage abstellen zu lassen. Auf Herb ist Verlaß. Ich bin sicher, der Wagen wurde zurückgebracht. Und jetzt ist er verschwunden.«
»Autodiebstahl«, brummte Ben. »Wie lang muß die Liste der Verbrechen werden, bevor du dich entschließt, die Polizei anzurufen?«
Sie trat an den alten Ford heran und betrachtete ihn im fast grellen Licht einer Neonröhre. »Und dieses Ding gehört überhaupt nicht hierher. Ich sehe den Wagen jetzt zum erstenmal.«
»Wahrscheinlich ist der Einbrecher damit gekommen«, vermutete Ben. »Er hat ihn einfach gegen den Mercedes eingetauscht.«
Rachael hob die Pistole, streckte zögernd die andere Hand. aus und öffnete die Fahrertür. Sie quietschte leise, als sie sich öffnete. Die junge Frau bückte sich und warf einen raschen Blick in das Fahrzeug.
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