Schattenfeuer
das Steuer herum und fuhr in die andere Richtung. Preßte das Gaspedal bis zum Anschlag nieder. Die Reifen quietschten. Der Mercedes schien einen Satz nach vorn zu machen, sauste an den niedrigen, dunklen Häusern vorbei. Vorne endete die Straße an einer Kreuzung, die sie vor die Wahl stellte, sich nach rechts oder links zu wenden. Es blieb Ben nichts anderes übrig, als den Fuß vom Gas zu nehmen. Rachael senkte den Kopf, blickte durch das Rückfenster und sah den anderen Wagen: Ein großer Cadillac, vielleicht Modell Seville, folgte ihnen und näherte sich rasch.
Ben drehte einfach das Lenkrad, und der Mercedes rutschte über den Asphalt, neigte sich so abrupt zur Seite, daß Rachael fast den Halt verloren hätte. Sie hielt sich an der Rückenlehne des Sitzes vor ihr fest, auf dem Sarah Kiel saß, und sie dachte: Wenn wir uns überschlagen, sind wir erledigt...
Der 560 SL kippte nicht, raste weiter, durch ein weites Wohnviertel. Ben beschleunigte jetzt wieder. Rachael beobachtete den Cadillac hinter ihnen, der auf der Kreuzung ins Schleudern kam und an eine geparkte Corvette stieß. Funken stoben. Der Caddy prallte von dem Chevrolet ab und schwang einige Male hin und her, doch dann gelang es dem Fahrer, ihn wieder unter Kontrolle zu bringen.
Ben bog erneut ab, jagte den Mercedes durch eine scharfe Kurve, die Hände fest ums Lenkrad geschlossen. Das Quietschen der Reifen klang wie ein unheimliches Schrillen und Heulen. Der Motor brüllte, als Benny Vollgas gab, und der Wagen schien sich in eine Rakete zu verwandeln, röhrte durch die Nacht. Rachael hatte das Gefühl, nach hinten gepreßt zu werden und kaum mehr atmen zu können, rechnete jeden Moment damit, daß sie einfach abhoben und in einen Orbit steuerten. Von einem Augenblick zum anderen trat Ben auf die Bremse und drehte das Steuer schlagartig nach links - für die Verfolger mußte es den Anschein haben, als sei der Mercedes geradezu in die Querstraße gesprungen.
Am Lenkrad bewies er ein ebensolches Geschick wie zuvor beim Kampf gegen Vincent Baresco. Zum Teufel auch, wer bist du überhaupt? wollte Rachael ihn fragen. Ein gewöhnlicher Immobilienmakler ist weder ein Experte im Nahkampf noch ein Rennfahrer! Aber sie wagte es nicht, einen Laut von sich zu geben,aus Furcht, Ben abzulenken. Wenn sie ihn bei dieser Ge schwindigkeit in seiner Konzentration störte, mußte das zu einer Katastrophe führen, zu einem verheerenden Unfall und damit vielleicht zu ihrem Tod.
Ben wußte natürlich, daß der 560 SL wesentlich schneller war als der Cadillac, doch auf den Straßen in der Stadt, angesichts der vielen Kreuzungen, konnte er diesen Vorteil nicht voll ausnutzen. Als sie sich dem Zentrum näherten, wurden die Ampeln immer zahlreicher, und obgleich zu dieser frühen Stunde nur sehr wenig Verkehr herrschte, bestand die Ge fahr eines Zusammenstoßes mit einem anderen Auto. Glücklicherweise war die Straßenlage des Mercedes weitaus besser als die des Cadillacs. Die harte Federung ermöglichte wesentlich höhere Kurvengeschwindigkeiten, und deshalb brauchte Ben nicht so oft zu bremsen wie der Verfolger. Jedesmal dann, wenn er abbog, gewann er einen Vorsprung, den der Caddy bei der nächsten geraden Strecke nicht ganz aufzuholen vermochte. In einem waghalsigen Zickzack näherte er sich dem Palm Canyon Drive, und als er nur noch einen Block von der breiten Hauptstraße entfernt war, die ganz Palm Springs durchzog, hatte sich der Abstand zum Cadillac auf mehrere hundert Meter erhöht. Ben war sicher, daß es ihm schließlich gelingen würde, die Mistkerle ganz abzuhängen, wer auch immer sie sein mochten...
Und nur einen Sekundenbruchteil später sah er den Streifenwagen.
Er parkte vor einigen weiteren abgestellten Fahrzeugen, an der Ecke Palm Canyon, und offenbar hatte der Cop den heranrasenden Mercedes im Rückspiegel gesehen. Er schaltete das Blinklicht ein.
»Halleluja!« sagte Ben.
»Nein!« erwiderte Rachael erschrocken und beugte sich vor. »Du darfst dich nicht an die Polizei wenden! Dann wäre uns der Tod sicher.«
Trotzdem machte Ben Anstalten, auf die Bremse zu treten, als sie sich dem Streifenwagen näherten. Rachael hatte ihm bisher verschwiegen, warum sie die Polizei nicht um Hilfe bitten durften. Außerdem hielt Shadwav nichts davon, das Ge setz in die eigenen Hände zu nehmen, und er zweifelte nicht daran, daß sich die Verfolger aus dem Staub machten, wenn eine Konfrontation mit den Cops drohte.
»Nein!« rief Rachael erneut. »Um Himmels
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