Schattenfeuer
in seine Jugend zurückversetzt. Nun, als ich von Cindy Wasloff und diesem Haus in Palm Springs erfuhr, begriff ich, daß mich Eric auch deswegen geheiratet hatte, weil ich zwölf Jahre jünger war als er. Und als ich älter wurde, als ich mich mehr und mehr meinem dreißigsten Geburtstag näherte, wußte er immer weniger mit mir anzufangen. Deshalb wandte er sich jungem Fleisch zu, Mädchen wie Cindy.«
Rachael öffnete die Tür und stieg aus. Benny folgte ihrem Beispiel und trat an ihre Seite. »Und was suchen wir hier?« fragte er. »Wohl kaum seine letzte Geliebte. Du wärst nicht wie ein Formel 1-Pilot hierher gerast, nur um dir Erics letzte Gespielin anzusehen.«
Rachael wollte -oder konnte -nicht antworten, holte stumm ihren 32er aus der Handtasche und ging auf das Haus zu.
Die Nacht war warm und trocken, und an dem klaren Himmel über der Wüste glänzten Myriaden Sterne. Kein Wind bewegte die Luft, und abgesehen vom Zirpen der Grillen herrschte völlige Stille.
Die Büsche und Sträucher sahen aus wie bedrohliche Schatten. Nervös ließ Rachael ihren Blick über die dichten Hecken und Anpflanzungen schweifen. Zu viele Versteckmöglichkeiten. Sie erzitterte kurz.
Die Eingangstür stand einen Spaltbreit offen -kein gutes Zeichen. Rachael klingelte, wartete einige Sekunden, klingelte erneut. Keine Reaktion.
»Ich nehme an, das Haus gehört jetzt dir«, sagte Ben. »Du hast es geerbt, zusammen mit allen anderen Dingen. Und deshalb darfst du eintreten, ohne um Erlaubnis zu fragen.«
Rachael starrte auf den dunklen Spalt zwischen Tür und Rahmen und argwöhnte eine Falle, die zuschnappen mochte, wenn sie entschied, nach dem Köder zu suchen.
Sie wich einen Schritt zurück, hob das rechte Bein und trat fest zu. Mit einem lauten Krachen prallte die Tür an den Rand der Einfassung und schwang dann wieder zurück.
»Du erwartest also nicht, mit offenen Armen empfangen zu werden«, stellte Ben fest.
Von der kleinen Lampe über dem Eingang ging ein blasser, milchiger Schein aus, der nur die ersten Meter des Flurs erhellte. Rachael konnte erkennen, daß dort niemand auf sie lauerte, doch der größte Teil des Korridors lag im Dunkeln.
Ben wußte noch immer nicht genau, worum es eigentlich ging, und daher sah er sich außerstande, das tatsächliche Ausmaß der Gefahr richtig einzuschätzen. Da er schlimmstenfalls mit einem weiteren bewaffneten Vincent Baresco rechnete, war er kühner als Rachael, trat an ihr vorbei ins Haus und schaltete das Licht ein.
Die junge Frau folgte ihm. »Verdammt, Benny, du solltest vorsichtig sein.«
»Ob du's glaubst oder nicht, Rachael: Ich kann es mit einer Sechzehnjährigen aufnehmen.«
»Meine Besorgnis gilt nicht der Geliebten Erics«, erwiderte sie scharf.
»Wem dann?«
Auf den Zehenspitzen schlich Rachael los, die Pistole schußbereit in der Hand, betätigte alle Lichtschalter, die sie unterwegs entdeckte.
Das hypermoderne Dekor wirkte hier besonders futuristisch und vermittelte den Eindruck unpersönlicher Sterilität. Ein polierter Terrazzoboden, der Glanz so kalt wie Eis. Nirgends ein Teppich. Metallblenden anstelle von Fensterläden. Unbequem aussehende Sessel. Sofas, die riesigen Pilzen ähnelten. Alles weiß, schwarz und maulwurfgrau. Nur die wenigen Schmuckstücke brachten Farbe in die eintönige Umgebung: ein trübes Gelb.
In der Küche schien ein Tollwütiger am Werk gewesen zu sein. Der weißlackierte Frühstückstisch und zwei Stühle lagen auf der Seite. Die beiden anderen Stühle waren an allen erreichbaren Dingen zertrümmert worden. Der Kühlschrank wies mehrere Beulen und dicke Kratzer auf, und Dutzende von scharfkantigen Splittern erinnerten an die dicke Scheibe in der Herdklappe. Im Holz der Wandschränke zeigten sich breite Risse. Irgend jemand hatte Teller, Tassen und Gläser an die Wände geschleudert, und ihre Reste bildeten eine dicke Schicht auf dem Boden. Hier und dort formten die Lebensmittel aus dem Kühlschrank bizarre Haufen: saure Gurken, Milchtüten, Nudelsalat, Senf, Käse, Schinken. Im Ge stell neben der Spüle fehlten die Messer. Mit enormer Kraft
waren sie in die Bruchsteinwand getrieben worden, einige bis zum Heft. »Glaubst du, sie haben hier nach etwas gesucht?« fragte Benny. »Vielleicht.« Rachael akzeptierte das >sie<. »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Das halte ich für unwahrscheinlich. Hier sieht es ebenso aus wie im Schlafzimmer der Villa. Gespenstisch. Unheimlich. Jemand hat seiner Wut Luft gemacht, in einem
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