Schattenfeuer
im Wagen saß. Eine wichtige Mitteilung vom Präsidium. Die Polizei von Placentia hat Becky Klienstad gefunden.«
»Wo? Lebend?«
»Tot. In Rachael Lebens Haus.«
Verdad runzelte einige Sekunden lang verwirrt die Stirn »Zum Teufel auch, was geht hier eigentlich vor sich?«
1.58 Uhr.
Um nach Placentia zu gelangen, fuhren Julio und Reese durch einen Teil von Orange und Anaheim und überquerten den Santa Ana River, der um diese Jahreszeit fast völlig ausgetrocknet war. Sie kamen an hohen Bohrtürmen und Pump anlagen vorbei, die an überdimensionale, stählerne Gottesanbeterinnen erinnerten und deren Ausleger sich in einem beständigen Rhythmus hoben und senkten.
Für gewöhnlich war Placentia eine der ruhigsten Gemeinden des County, weder arm noch reich, ein Ort zufriedener Gelassenheit, ohne große Probleme. Als einzigen Vorteil gegenüber den anderen Städten konnte man die großen und hübschen Dattelpalmen anführen, die einige der Straßen säumten. Sie wuchsen auch in der Nähe des Hauses, in dem Rachael Leben wohnte. Im flackernden Schein der roten Blitzlichter auf den Streifenwagen schienen die langen und überhängenden Wedel von innen her zu glühen.
Am Vordereingang trafen Julio und Reese auf einen hochgewachsenen uniformierten Beamten der Polizei von Placentia, einen Officer namens Orin Mulveck. Er war blaß, und sein unsteter Blick deutete daruf hin, daß er gerade etwas Schreckliches gesehen hatte. »Eine Nachbarin rief uns an und meinte, sie habe einen Mann beobachtet, der das Haus in aller Eile verließ. Das hielt sie für verdächtig. Als wir hier eintrafen, um nach dem Rechten zu sehen, stand die Tür weit offen. Und das Licht brannte.«
»Mrs. Leben war nicht hier?«
»Nein.«
»Gibt es irgendeinen Hinweis auf ihren gegenwärtigen
Aufenthaltsort?« »Nein.« Mulveck nahm die Mütze ab und strich sich mit einer fahrigen Geste durchs Haar. »Jesus«, sagte er, mehr zu
sich selbst. Dann: »Nein, Mrs. Leben ist fort. Aber in ihrem Schlafzimmer fanden wir die Leiche einer anderen Frau.«
Julio schob sich an ihm vorbei und betrat das Haus. »Rebecca Klienstad.«
»Ja.«
Mulveck führte Julio und Reese durch ein gemütlich und geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer, in dem pflaumenfarbene, weiße und dunkelblaue Töne dominierten.
»Wie haben Sie die Tote identifiziert?« fragte Verdad.
»Sie trug eines jener Medaillons, die medizinische Daten enthalten«, erwiderte Mulveck. »Hatte mehrere Allergien, unter anderem auch gegen Penicillin. Sie kennen die Dinger sicher. Darin befinden sich Name, Adresse und eine Zusammenfassung der Krankengeschichte. Darum wußten wir sofort, um wen es sich handelte. Anschließend gaben wir die Daten in unseren Computer, um eine Überprüfung der Klienstad vorzunehmen. Auf diese Weise erfuhren wir davon, daß Sie in Santa Ana nach ihr suchten, in Zusammenhang mit dem Mordfall Hernandez.«
»Wurde die junge Frau hier umgebracht?« fragte Julio, als sie einem untersetzten Mann von der Spurensicherung auswichen, der damit beschäftigt war, auf den Möbeln nach Fingerabdrücken zu suchen.
»Nein«, erwiderte Mulveck. »Nicht genug Blut.« Erneut fuhr er sich mit der einen Hand durchs Haar. »Der Täter tötete sie woanders - und brachte sie dann hierher.«
»Warum?«
»Das werden Sie gleich sehen.« Er schluckte sichtlich und fügte hinzu: »Verdammt! Der Mörder muß wahnsinnig sein, vollkommen übergeschnappt!«
Julio runzelte verwundert die Stirn und folgte dem Uniformierten durch den Flur ins Schlafzimmer. Bei dem Anblick, der ihn dort erwartete, schnappte er unwillkürlich nach Luft und hielt einige Sekunden lang entsetzt den Atem an.
Hinter ihm keuchte Hagerstrom: »Ach du lieber Himmel!« Beide Nachttischlampen waren eingeschaltet. An der Peripherie des Zimmers behauptete die Dunkelheit ihre Stellung,
doch Rebecca Klienstads Leiche befand sich im hellsten Bereich. Ihr Mund stand offen, und in den blicklos starrenden Augen schien noch immer Grauen zu schimmern. Der Täter hatte sie ausgezogen und an die Wand genagelt, direkt über dem breiten Bett. Nägel durch beide Hände. Weitere Nägel unmittelbar unterhalb der Ellenbogen. In beiden Füßen. Und ein besonders dicker und langer durch den Hals. Es war nicht genau die klassische Position einer Kreuzigung, denn die Beine waren gespreizt, doch es kam der üblichen Vorstellung recht nahe.
Ein Polizeifotograf machte aus verschiedenen Blickwinkeln Aufnahmen von der Leiche. Wenn das Blitzlicht
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