Schattenfeuer
- und um die Entwicklung künstlichen Genmaterials, um die Lücke zu füllen. Die neuen Gene sollen den Vorgang des Alterns aufhalten und das individuelle Immun" System so sehr verstärken, daß wesentlich mehr Interferon und andere Heilsubstanzen produziert werden. Kannst du mir folgen?«
»Ich denke schon.«
»Eric und die anderen glaubten, dem menschlichen Körper dadurch die Fähigkeit zu verleihen, beschädigtes Gewebe, Knochen und lebenswichtige Organe zu erneuern.«
Rachael blickte noch immer in die Nacht hinaus, und sie schien erblaßt zu sein. Der Grund dafür war nicht irgend etwas, das sie auf dem Parkplatz sah, sondern die Konsequenzen dessen, was sie Ben schilderte.
Nach einer Weile fuhr sie fort: »Geneplans Patente brachten einen Haufen Geld ein. Eric und seine Freunde gaben Dutzende von Millionen aus, beauftragten einige andere Ge netiker, die nicht dem Unternehmen angehörten, mit einzelnen und eher fragmentarischen Forschungsarbeiten und verwandelten ihr Projekt in ein Puzzlespiel, dessen Komponenten sie weit verstreuten, urn über ihre tatsächlichen Absichten hinwegzutäuschen. Man könnte die ganze Sache mit einem privat finanzierten Manhattan Projekt vergleichen-das noch geheimer ist als die Entwicklung der Atombombe.«
»Geheim...« wiederholte Ben leise. »Weil sie im Falle eines Erfolgs nur sich selbst in den Genuß eines verlängerten Lebens kommen lassen wollten?«
»Zum Teil, ja.« Rachael zog den Vorhang wieder zu und drehte sich um. »Und indem sie das Geheimnis wahren, indem sie Langlebigkeit nur den Leuten schenken, die sie auswählen, erringen sie eine enorme Macht. Es wäre ihnen sogar möglich, eine langlebige und elitäre Herrenrasse zu schaffen, die ihre Existenz ihnen verdankt. Und die Drohung, irgendwelchen einflußreichen Leuten die lebensverlängernde Behandlung vorzuenthalten, würde praktisch alle dazu bringen, mit ihnen zu kooperieren. Eric hat oft davon gesprochen, und ich hörte geduldig zu, hielt alles nur für dummes Gerede -obgleich ich wußte, daß er auf seinem Fachgebiet ein Genie war.«
»Die Männer im Cadillac, die uns verfolgten und die Polizisten erschossen...«
»Von Geneplan«, sagte Rachael. Sie setzte ihre nervöse Wanderung fort. »Ich habe den Wagen wiedererkannt. Er gehört Rupert Knowls. Knowls stellte das erste Risikokapital zur Verfügung, mit dem die Arbeit begann. Nach Eric ist er der wichtigste Anteilseigner.«
»Ein reicher Mann... Und doch riskiert er es, alles zu verlieren, auch seine Freiheit, indem er zwei Polizisten umlegt?«
»Ja. Um sein Geheimnis zu wahren. Er hat keine allzu großen Skrupel. Und angesichts dieser Gelegenheit warf er allem Anschein nach auch seine letzten Bedenken über Bord.«
»Hm«, machte Ben. »Sie entwickelten also eine neue Technik, die nicht nur das Leben verlängert, sondern auch die Heilung von verletztem Körpergewebe wesentlich beschleunigt. Und dann?«
Rachaels blasses Gesicht schien noch bleicher zu werden. »Dann... begannen sie mit der praktischen Erprobung an Versuchstieren. Dabei wurden hauptsächlich weiße Mäuse verwendet.«
Ben hob den Kopf und stellte die Dose Diet Coke ab. Rachaels Gebaren wies ihn darauf hin, daß sie nun auf den zentralen Punkt zu sprechen kam.
Die junge Frau zögerte einige Sekunden lang, um sich zu vergewissen, daß die Tür verriegelt war. Dann nahm sie einen Stuhl, kippte ihn auf zwei Beine und schob die Rückenlehne unter den Knauf.
Ben glaubte, daß sie es mit ihrer Vorsicht übertrieb, sich schon fast wie jemand verhielt, der an Paranoia litt. Dennoch erhob er keine Einwände.
Rachael kehrte an den Rand des Bettes zurück. »Sie gaben den Mäusen Injektionen, veränderten sie, arbeiteten dabei natürlich mit tierischen Genen und nicht etwa menschlichen. Doch sie nutzten die gleichen Theorien und Techniken, die später angewendet werden sollten, um das Leben von Menschen zu verlängern. Und die Mäuse, eine besonders kurzlebige Art, lebten länger, erst doppelt, dann dreiund schließlich sogar viermal so lang wie ihre unbehandelten Artgenossen. Einige Versuchstiere wurden absichtlich verletzt, und sie erholten sich bemerkenswert schnell, selbst von Wunden, die normalerweise tödlich gewesen wären. Sie überstanden zerquetschte Nieren, von Giftgasen verätzte Lungen. Man zerstach ihnen die Augen, und doch konnten sie bald darauf wieder sehen. Und dann...«
Rachaels Stimme verklang. Sie blickte auf die verbarrikadierte Tür, dann in Richtung Fenster, ließ
Weitere Kostenlose Bücher