Schattenfeuer
Auseinandersetzungen statt, bei denen es um Vorrangstellung oder Revierverteidigung geht. Ja, Mäuse sind sanft und schreckhaft. Doch diese Beschreibung trifft keines wegs auf die Exemplare zu, die starben und dann ins Leben zurückkehrten. Sie rangen miteinander, griffen Mäuse an, die keinen Revitalisierungsprozeß erfahren hatten, versuchten sogar, die Forscher zu beißen, die nach ihnen griffen. Sie hatten Tobsuchtsanfälle, zerkratzten den Boden ihrer Käfige, fügten sich selbst Verletzungen zu, traten nach Gegnern, die nur in ihrer Fantasie existierten. Manchmal dauerten diese eigentümlichen Wutausbrüche weniger als eine Minute, meistens aber so lange, bis die betreffende Maus erschöpft liegen blieb.«
Stille schloß sich an, ein Schweigen, das rasch eine bedrükkende Qualität gewann.
Dann sagte Ben: »Und trotz des sonderbaren Verhaltens der Mäuse waren Eric und die anderen Wissenschaftler überaus fasziniert. Lieber Himmel: Sie hofften auf eine Verlängerung der Lebensspanne -und statt dessen besiegten sie den Tod! Aus diesem Grund wollten sie unbedingt von ähnlichen Methoden Gebrauch machen, um die Genstruktur von Menschen zu verändern.«
»Ja«, bestätigte Rachael. »Obgleich die weißen Mäuse zu Zornesausbrüchen neigten und sich als besonders aggressiv herausstellten.«
»Ja.«
»Vermutlich dachten sie, bei Menschen ließen sich derartige Probleme entweder lösen oder ergäben sich erst gar nicht.«
»Ja.«
Ben nickte. »Also machte die Arbeit langsame Fortschritte
- doch Eric konnte sich nicht gedulden. Er wollte jung bleiben, war von der Jugend besessen, hatte vor nichts mehr Angst als vor dem Tod. Deshalb beschloß er, nicht auf eine Verbesserung der Technik zu warten.«
»Ja.«
»Das meintest du in Erics Büro, als du Baresco fragtest, ob er wisse, daß dein Mann die wichtigste Regel gebrochen hat. Für Genforscher und andere Spezialisten der biologischen Wissenschaften besteht jene >wichtigste Regel< darin, keine Versuche an Menschen vorzunehmen, solange Experimente mit Tieren Komplikationen ergeben.«
»Genau«, erwiderte Rachael. »Und Vincent hatte keine Ahnung von Erics Entscheidung. Nur ich wußte Bescheid. Für die anderen muß es ein ziemlicher Schock gewesen sein, als sie vom Verschwinden der Leiche Erics erfuhren. Als sie diese Informationen erhielten, kamen sie natürlich sofort zu der einzigen möglichen Schlußfolgerung und begriffen, wozu er sich hinreißen ließ.«
»Und jetzt?« fragte Ben. »Wollen sie ihm helfen?«
»Nein. Sie beabsichtigen, ihn zu töten. Ihn endgültig ins Jenseits zu schicken.«
»Warum?«
»Weil er nicht ganz zurückkehren wird, nie wieder so werden kann wie zuvor. Das Verfahren war noch nicht perfekt.«
»Ergeht es ihm ebenso wie den Versuchstieren?«
»Wahrscheinlich. Er ist gewalttätig und gefährlich.«
Ben erinnerte sich an das Chaos in der Villa, an das Blut im Kofferraum des alten Ford.
»Schon vor seinem Unfalltod war Eric ein sehr rücksichtsloser Mann, mit einer ausgeprägten Tendenz dazu, Gewalt anzuwenden«, stellte Rachael fest. »Im Gegensatz dazu zeichneten sich die Mäuse zunächst durch ein sanftes Wesen aus. Was mag jetzt aus Eric geworden sein? Denk nur daran, was er mit Sarah Kiel machte...«
Vor seinem inneren Auge sah Shadway nicht nur das junge Mädchen, das einem Häufchen Elend gleich in der Duschkabine hockte, sondern auch die verwüstete Küche im Haus von Palm Springs, die Messer in der Wand.
»Und wenn Eric während seiner Tobsuchtsanfälle irgend jemanden umbringt«, fuhr Rachael fort, »muß der Polizei früher oder später klarwerden, daß er noch lebt - und dann fliegt das Projekt Wildcard auf. Aus diesem Grund wollen ihn seine Partner aus dem Verkehr ziehen und sicherstellen, daß es nicht zu einer neuerlichen Auferstehung kommt. Vielleicht planen sie, seine Leiche zu zerstückeln oder zu verbrennen.«
Herr im Himmel! dachte Ben entsetzt. Was ist dies eigentlich? Eine verdammte Horror-Show? Laut sagte er: »Und sie wollen dich umbringen, weil du von Wildcard weißt?«
»Ja. Aber sie sind nicht nur deshalb bestrebt, mich zu erledigen. Erics ehemalige Freunde haben auch noch zwei andere Motive. Erstens: Offenbar nehmen sie an, ich wüßte, wo sich Eric versteckt.«
»Stimmt das?«
»Nicht direkt. Ich hatte einige Vermutungen. Und Sarah Kiel gab mir einen weiteren Hinweis.« »Und zweitens?« Rachael nickte langsam. »Zweitens: Nach Erics Tod bin ich
die Erbin von Geneplan, und Baresco und die
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