Schattenfeuer
Mädchen schläft. Es bekam vor einigen Stunden ein Beruhigungsmittel, und bestimmt dauert es noch eine Weile, bis es aufwacht.«
»Bitte wecken Sie Sarah. Es handelt sich um eine sehr dringende Angelegenheit, die die nationale Sicherheit betrifft.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, erwiderte Schwester Dunn. »Sie wurde verletzt und braucht Ruhe. Gedulden Sie sich.«
»Meintwegen. Ich warte in ihrem Zimmer.«
Schwester Dunn schob das breite Kinn vor, und in ihren sonst so gutmütig blickenden blauen Augen funkelte es kalt. »Von wegen! Wenn Sie unbedingt warten möchten -dort drüben, im Aufenthaltsraum für Besucher.«
Peake wußte, daß es keinen Sinn hatte zu versuchen, Druck auf Alma Dunn auszuüben. Sie ähnelte Jane Marple, der unbeugsamen Amateurdetektivin Agatha Christies. Und wer so aussah wie Miß Marple, ließ sich bestimmt nicht einschüchtern. »Hören Sie«, sagte er. »Wenn Sie sich weiterhin weigern, meinen Forderungen nachzukommen, muß ich mich an Ihren Vorgesetzten wenden.«
»Von mir aus...« erwiderte Schwester Dunn und warf einen tadelnden Blick auf Peakes schmutzige Schuhe. »Ich hole Dr. Werfell.«
Anson Sharp hielt sich nach wie vor in Vincent Barescos unterirdischem Büro auf, streckte sich auf der Couch aus und schlief eine Stunde. Anschließend duschte er nebenan im kleinen Badezimmer, öffnete seinen Koffer, den er seit Beginn der Operation bei sich führte, und wählte einen neuen Anzug. Sharp hatte die beneidenswerte Fähigkeit, praktisch auf der Stelle einschlafen zu können und sich schon nach einem kurzen Nickerchen frisch und ausgeruht zu fühlen.
Kurze Zeit später nahm er den Telefonhörer ab und sprach mit den Beamten, deren Aufgabe darin bestand, die verschie denen Geneplan-Partner und Wissenschaftler zu überwachen. Des weiteren nahm er Berichte von anderen Agenten entgegen, die sich in den Geneplan-Büros von Newport Beach, auf Eric Lebens Anwesen in Villa Park und in Rachaels Placentia-Haus umgesehen hatten.
Von den Mitarbeitern, die Baresco in der US Marine Air Station bei El Toro Gesellschaft leisteten, erfuhr Sharp, daß Ben Shadway inzwischen eine Smith & Wesson Combat Magnum besaß. Die Einsatzbeamten in Placentia teilten ihm mit, daß Rachael Leben über eine 32er Halbautomatik verfügte.
Es erfreute Sharp, von den Waffen zu erfahren, die sowohl Ben als auch Rachael bei sich führten - und er beabsichtigte, dies als einen Vorwand für die Ausstellung eines Haftbefehls zu nutzen. Außerdem: Wenn es ihm gelang, sie in die Ecke zu treiben, konnte er sie einfach über den Haufen schießen und später behaupten, in Notwehr gehandelt zu haben.
Während Jerry Peake in der Station darauf wartete, daß Alma Dunn mit Dr. Werfell zurückkehrte, entfalteten sich im Krankenhaus die routinemäßigen Aktivitäten des Tages. Schwestern eilten durch die Korridore, brachten Patienten die ih nen verschriebene Medizin, schoben Rollstühle und fahrbare Liegen und begannen in Begleitung einiger Ärzte mit der üblichen Visite.
Nach zehn Minuten kam Alma Dunn zur Station zurück, zusammen mit einem hochgewachsenen Mann, der einen weißen Kittel trug. Er hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht, graumeliertes Haar und einen gepflegten Oberlippenbart. Er wirkte irgendwie vertraut, obgleich Peake den Grund dafür nicht genau bestimmen konnte. Alma Dunn stellte ihn als Dr. Hans Werfell vor, den für die Morgenschicht verantwortlichen Chefarzt.
Dr. Werfell betrachtete erst die zerknitterte Hose Peakes, dann die schmutzigen Schuhe und sagte: »Miß Kiels körperlicher Zustand ist keineswegs besorgniserregend, und ich glaube, wir können sie heute oder morgen entlassen. Andererseits aber hat sie ein erhebliches emotionales Trauma erlitten, und deshalb braucht sie möglichst viel Ruhe. Derzeit schläft sie.«
Verdammt, dachte Peake, warum starrt der Kerl dauernd auf meine Schuhe? »Doktor«, erwiderte er, »ich verstehe, daß Sie in erster Linie an die Patientin denken, aber es handelt sich um eine sehr dringende Angelegenheit, die im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit steht.«
Werfeil hob wie zögernd den Blick und runzelte skeptisch die Stirn. »Lieber Himmel, was hat ein sechzehn Jahre altes Mädchen mit der nationalen Sicherheit zu tun?«
»Das ist geheim, streng geheim«, antwortete Peake und gab sich alle Mühe, in seinem jugendlichen Gesicht angemessenen Ernst zum Ausdruck zu bringen.
»Es hat ohnehin keinen Sinn, sie zu wecken«, sagte Werfell. »Sie steht noch immer
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