Schattenfeuer
unter der Wirkung des Sedativs und könnte Ihre Fragen vermutlich gar nicht richtig verstehen.«
»Wäre es nicht möglich, ihr irgendein Gegenmittel zu geben?«
Dr. Werfell bedachte ihn mit einem abweisenden Blick. »Mr. Peake, dies ist ein Krankenhaus. Unsere Aufgabe besteht darin, Menschen zu helfen. Wir erwiesen Miß Kiel sicher keinen guten Dienst, wenn wir sie voller Drogen pump ten, nur um die Wirkung von Beruhigungsmitteln aufzuheben und einen ungeduldigen Regierungsbeamten zufriedenzustellen.«
Peake fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoß. »Ich habe nicht von Ihnen verlangt, ärztliche Prinzipien zu verletzen.«
»Gut.« Das ruhige und gelassene Gebaren Dr. Werfells war der Diskussion keineswegs förderlich. »Dann warten Sie, bis Miß Kiel aufwacht.«
Enttäuscht dachte Peake darüber nach, aus welchem Grund Werfell einen so vertrauten Eindruck erweckte. »Wir glauben, sie könnte uns einen Hinweis auf den Aufenthalts ort einer Person geben, nach der wir fahnden.«
»Nun, ich bin sicher, sie wird alle Ihre Fragen beantworten, wenn sie wach ist.«
»Und wann kommt sie wieder zu sich, Doktor?«
»Oh, ich schätze, in... vier oder fünf Stunden.«
»Was? Wieso dauert das denn so lange?«
»Der Arzt der Nachtschicht gab ihr ein leichtes Sedativ, das ihr jedoch nicht genügte. Als er es ablehnte, ihr ein stärkeres Mittel zu verabreichen, nahm sie eins aus dem eigenen Vorrat.«
»Aus dem eigenen Vorrat?«
»Wir stellten erst später fest, daß ihre Handtasche Drogen enthielt: einige Benzedrin-Tabletten. Nun, wie dem auch sei: Jetzt schläft sie tief und fest, und das kann sicher nicht schaden. Die restlichen Drogen haben wir natürlich beschlagnahmt.«
Peake seufzte. »Ich warte in ihrem Zimmer.«
»Nein«, widersprach Werfell.
»Dann eben auf dem Flur.«
»Ich fürchte, das ist nicht möglich.«
»Und hier in der Station?«
»Hier wären Sie nur im Weg«, sagte Werfell. »Warten Sie im Aufenthaltsraum für Besucher. Wir geben Ihnen Bescheid, wenn Miß Kiel erwacht.«
»Ich warte hier«, beharrte Peake, kniff die Augen zusammen und versuchte, so stur und entschlossen zu wirken wie die Helden der Romane, die ihn besonders beeindruckt hatten.
»Im Aufenthaltsraum«, sagte Werfell fest. »Und wenn Sie ihn nicht sofort aufsuchen, alarmiere ich die hausinternen Sicherheitsbeamten .«
Peake zögerte und wünschte sich, aggressiver sein zu können. »Na gut. Aber benachrichtigen Sie mich unverzüglich, wenn Sarah Kiel erwacht.«
Wütend wandte er sich von Werfell ab, marschierte durch den Flur und suchte nach dem Aufenthaltsraum, viel zu verlegen, um zu fragen, wo sich das Zimmer befand. Als er zu Dr. Werfell zurückblickte, stellte er fest, daß der Arzt gerade mit einem anderen und ebenfalls in einen weißen Kittel gekleideten Mann sprach. Und plötzlich fiel ihm der Grund für das vertraute Flair ein. Werfell sah fast genauso aus wie Da shiell Hammett, der berühmte Pinkerton-Detektiv und Kriminalschriftsteller. Kein Wunder, daß er in eine so dichte Aura der Autorität gehüllt war. Dashiell Hammett -lieber Himmel! Bei diesem Gedanken fand es Peake nicht mehr ganz so schlimm, sich ihm gefügt zu haben.
Ben und Rachael schliefen zwei weitere Stunden, erwachten fast gleichzeitig und liebten sich erneut. Diesmal fand die junge Frau noch mehr Gefallen daran als zuvor: weniger Hektik, eine noch intensivere Harmonie, ein eleganter und anmutiger Rhythmus.
Anschließend blieben sie eine Zeitlang eng aneinandergeschmiegt liegen, zufrieden, erfüllt von einer Ruhe, die jedoch bald neuerlicher Nervosität wich. Zuerst konnte Rachael nicht genau bestimmen, was sie störte, doch dann begriff sie, daß es das Bewußtsein einer nach wie vor drohenden Gefahr war.
Sie drehte den Kopf, beobachtete das sanfte Lächeln Bens, betrachtete die weichen Züge seines Gesichts, blickte in seine Augen - und hatte plötzlich Angst, ihn zu verlieren.
Sie versuchte, sich davon zu überzeugen, daß es sich bei dieser jähen Furcht nur um die natürliche Reaktion einer dreißigjährigen Frau handelte, die nach einer gescheiterten Ehe wie durch ein Wunder den richtigen Mann gefunden hatte. Das Ich-verdiene-es-gar-nicht-so-glücklich-zu-sein-Syndrom. Wenn das Leben endlich einmal mit einer angenehmen Überraschung aufwartet, sucht man immer nach einem Haken.
Gleichzeitig aber wußte Rachael, daß die Angst wesentlich tiefer in ihr verwurzelt war. Sie erzitterte, so als striche ihr ein kalter Wind über den
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