Schattenfeuer
Seelen an die Regierung verkauft. Mit anderen Worten: Es schwebte kein Damoklesschwert über ihren Häuptern; es gab keine Drohungen, um sie einzuschüchtern und unter Kontrolle zu bringen.
Vor allen Dingen aber verabscheute Sharp die Vorstellung, daß Rachael Leben Shadways Geliebte war, daß Ben etwas an ihr lag. Er freute sich bereits darauf, die junge Frau zuerst zu töten, direkt vor Ben. Und Shadways Tod würde ihm einen besonderen Genuß bereiten, denn er haßte ihn schon seit siebzehn Jahren.
Sharp befand sich allein in dem großen, unterirdischen Büro, schloß die Augen, lächelte und fragte sich, was Shadway unternommen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, daß sein alter Feind Anson Sharp Jagd auf ihn machte. Sharp fieberte der unvermeidlichen Konfrontation entgegen, war ganz versessen darauf, das Erstaunen in Shadways Gesicht zu sehen, zu beobachten, wie der verdammte Hurensohn endlich ins Gras biß.
Jerry Peake, der junge DSA-Agent, der von Anson Sharp den Auftrag erhalten hatte, Sarah Kiel zu finden, suchte hinter Eric Lebens Haus in Palm Springs noch immer nach einem frischen Grab. Er benutzte einen starken Scheinwerfer und ging sehr gründlich zu Werke, zertrampelte Blumenbeete, bahnte sich einen Weg durch Sträucher und Büsche, deren Dornen ihm die Hose zerrissen - doch er konnte nichts entdecken.
Er schaltete die Beleuchtung des Pools ein und rechnete fest damit, daß im Wasser die Leiche einer Frau schwamm, doch auch diese Erwartung erfüllte sich nicht. Daraufhin kam er zu dem Schluß, zu viele Kriminalromane gelesen zu haben. In solchen Werken waren Swimming-pools immer voller Leichen; die Realität hingegen sah völlig anders aus.
Seit dem zwölften Lebensjahr verschlang Jerry Peake Kriminalromane und hatte unbedingt Detektiv werden wollen. Schon als Heranwachsender kam es ihm nicht darauf an, später als einfacher Polizist zu arbeiten. Nein, ihm stand der Sinn danach, für die CIA, das FBI oder die DSA tätig zu werden, als ein Agent im Stile von John Le Carre, William F.
Buckley oder Frederick Forsythe. Peake wünschte sich nichts sehnlicher, als schon zu Lebzeiten zu einer Legende zu werden. Erst seit gut vier Jahren gehörte er zur DSA und hatte sich noch keinen besonderen Ruf erworben. Doch das störte ihn nicht weiter. Peake brachte die Bereitschaft mit, sich in Geduld zu fassen. Niemand wurde in gut vier Jahren zu einer Legende. Zuerst mußte man die Dreckarbeit erledigen, zum Beispiel durch Blumenbeete stapfen und sich dabei den besten Anzug ruinieren.
Als Sarah Kiels Leiche verschwunden blieb, machte sich Peake auf den Weg, um die einzelnen Krankenhäuser zu kontrollieren, um festzustellen, ob während der letzten Stunden ein junges Mädchen eingeliefert worden war, auf das Sarahs Beschreibung paßte. Bei den ersten beiden Hospitälern hatte er kein Glück. Schlimmer noch: Obgleich er seinen DSA-Ausweis zeigte, begegneten ihm Krankenschwestern und Ärzte mit ausgeprägtem Mißtrauen. Sie gaben ihm zwar die gewünschten Auskünfte, schienen jedoch zu argwöhnen, er sei ein Schwindler und Aufschneider mit zweifelhaften Absichten.
Peake wußte, daß er für einen DSA-Agenten zu jung aussah. Auf ihm lastete der Fluch eines viel zu glatten und offenen Gesichts. Und wenn er Fragen stellte, gab er sich nicht ganz so aggressiv, wie es eigentlich der Fall sein sollte. Diesmal aber war er sicher, daß das Problem nicht in jugendlichen Zügen oder seiner eher sanften Art bestand. Statt dessen basierte die Skepsis, mit der er es zu tun bekam, auf seinen schmutzigen Schuhen. Zwar hatte er versucht sie mit einem Tuch zu reinigen, doch sie waren noch immer verschmiert. Und dann die Hose: Beulen und knittrige Falten erinnerten an die vormals nassen Stellen. Nein, sagte sich Peake niedergeschlagen, man konnte nicht damit rechnen, ernst genommen zu werden, wenn man den Eindruck erweckte, gerade aus einem Schweinestall zu kommen.
Doch trotz seiner Aufmachung, die sehr zu wünschen ließ, landete Peake eine Stunde nach Morgengrauen einen Volltreffer - beim dritten Krankenhaus, dem Desert General. Sarah Kiel war während der Nacht eingeliefert worden und wurde nach wie vor behandelt.
Die Oberschwester Alma Dunn, eine kräftig gebaute, weißhaarige und etwa fünfundfünfzig Jahre alte Frau, blieb gelassen, als Peake ihr seinen Dienstausweis zeigte, ließ sich nicht beeindrucken. Sie warf einen kurzen Blick ins Zimmer Sarah Kiels und kehrte dann zur Station zurück, wo Peake wartete: »Das arme
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