Schattenfeuer
Finger gemacht hast.« Er hakte den Daumen in die Gürtelschlaufe und reckte sich ein wenig, als habe er von ihr nichts zu befürchten. »Gute Arbeit für ’ne Schickse.«
»Du kannst es besser, nicht wahr?«, entgegnete sie ausweichend. Vielleicht sollte sie ihn mit ihrem Messer in die Flucht schlagen, bevor die Dinge außer Kontrolle gerieten. Dann verfluchte sie sich sofort selbst, als ihr einfiel, dass es tief in ihrer Tasche vergraben war. Dämlich. So verdammt dämlich.
»Ich hab’s nicht nötig, Taschen zu fleddern. Das is’ eh nur was für Gassenkinder. Nich’ dass du keine gute Beutelzieherin wärst. Wie du vorhin die Scher’ gemacht hast, war ganz große Kunst.«
»Ich schätze, an dieser Stelle soll ich mich wohl bedanken?« Ihr Tonfall war schneidend, dennoch musste sie sich beschämt eingestehen, dass sein Lob ihrer Qualitäten als Taschendiebin sie mit gewissem Stolz erfüllte. Wenn man schon gezwungen war, gewisse Praktiken auszuüben, dann sollte man seine Sache auch gut machen.
Er schüttelte leicht den Kopf, als müsse er sich wieder auf den richtigen Kurs zurückbringen. »Ich weiß, dass wir uns schon mal über den Weg gelaufen sind.« Er schnippte mit den Fingern. »In ’ner Gasse! Stimmt’s? So einer wie der hier, nur im Dunkeln.« Mit vor Erinnerung aufleuchtenden Augen trat er näher. »Irgend’n Rächer ist gekommen und hat uns verscheucht.« Seine Augen wurden schmal. »Aber jetzt ist er nicht in der Nähe, wa?«
Üble Absicht lag immer schwerer in der Luft. Miranda sollte sich eigentlich fürchten, dennoch war in ihrem Innern nichts anderes mehr übrig als Wut und Frustration.
»Nein«, antwortete sie. »Ich habe ihn nie wieder gesehen.« Sie verspürte einen Stich des Bedauerns und der Sehnsucht, und einen wilden Augenblick lang erwog sie, das Opfer zu spielen, in der Hoffnung, ihr dunkler Fremder könnte wieder erscheinen – wie ein mythischer Schutzengel.
Der Mann vor ihr ließ seine ziemlich großen Fingerknöchel knacken. »Na dann, was sagst du dazu, wenn wir zwei unsre Bekanntschaft ’n bisschen auffrischen.«
Ein Lachen entschlüpfte ihr. Das war ein Fehler, denn es setzte andere Gefühle frei. Schuld, Bedauern.
Tu das nicht. Lauf weg. Warne ihn. Doch angesichts seines offensichtlichen Vergnügens beim Gedanken, ihr wehzutun, schluckte sie den bitteren Geschmack von Selbstekel hinunter.
»Du bist mir ja einer«, sagte sie. »Denkst du, es ist so einfach? Sich einfach zu nehmen, was man will, und sich den Teufel um die Folgen zu scheren?«
Ein Lächeln kräuselte seine Lippen. Es hatte etwas Hässliches, dieses Lächeln. Inzwischen war er fast so nahe, dass er sie berühren könnte. »So läuft das nun mal, Kätzchen.« Wie eine Schlange schnellte er vor, packte sie am Ellbogen und riss sie an sich. Der penetrante Geruch nach ungewaschenem Männerkörper und einem Leben auf der Straße stieg ihr in die Nase. »Komm schon«, murmelte er, »Sei ’ne liebe Muschi, ja?«
Ihr Magen hob sich, doch dann wallte unvermittelt heftiger Widerstand in ihr auf. Sie war hier das Monster, nicht ihr Angreifer. Hitze, Verlangen und Macht tobten in ihr. Das Feuer wollte heraus. »Ich warne dich nur ein einziges Mal. Ich bin nicht wie andere Mädchen. Ich werde dir wehtun. Sehr sogar.«
Er lachte glucksend. »Versprochen?«
Bevor sie noch einen Gedanken fassen konnte, stieß er sie gegen die Wand und drückte ihr mit dem Unterarm die Kehle zu. Schock und Schmerz machten sie bewegungsunfähig. In dem Versuch, Luft zu schnappen und zu schreien, klappte sie den Mund wie ein Fisch auf und zu. Ihr Blick blieb an den zerrissenen Überresten eines Werbeplakats für Badesalz hängen, während er nach ihren Röcken griff und sie mit begierigen Fingern hochschob. Vor Scham verkrampften sich ihre Eingeweide. Sie hätte weglaufen sollen. Das hier war ihre Schuld.
Sein feuchter Atem streifte keuchend ihren Hals. Mit einem weiteren heftigen Ruck an ihrem Unterrock zog er ihre Hüften an seine, und an den Beweis seiner Absichten. Wut überkam sie. Miranda packte den Ärmel seines Mantels. Etwas wie Schmerz, doch durchzogen von Lust, strömte durch ihre Finger. Sofort fing die schmierige Wolle seines Ärmels Feuer. Zischend leckten die Flammen an seinem Mantel empor.
Mit einem Kreischen sprang er zurück, doch die hektische Bewegung ließ die Flammen nur noch weiter wachsen. Sie tanzten gern. Es verlieh ihnen Kraft.
Mirandas Kehle brannte vor Schmerz dort, wo er sie an die Wand gedrückt
Weitere Kostenlose Bücher