Schattenfeuer
hindern.«
»Und wir werden ebenso gewiss nach Gretna Green durchbrennen, wenn es sein muss«, schnauzte sie zurück. »Wie du und Mutter es getan haben. Oder hast du das etwa schon vergessen?«
Er lief feuerrot an. Bebender Zorn ließ seine Hände zittern. Bald würde er anfangen, mit Gegenständen um sich zu werfen.
Schützend stellte sich Martin vor sie. »Sir, wir brauchen nicht zu solchen Maßnahmen zu greifen. Ich weiß, dass Sie beunruhigt sind, aber ich werde gut für sie sorgen. Das schwöre ich.«
Es dauerte einen Moment, bis ihr Vater seinen Blick erwiderte, da er zu versessen darauf war, Miranda ein Loch in den Kopf zu starren. Sein Ausdruck wurde weicher, als er Martin ansah. »Wie ich schon sagte, Junge, das hat nichts mit dir zu tun.«
»Warum sagst du uns dann nicht, womit es etwas zu tun hat?«, wollte Miranda wissen. Ein warnendes Kribbeln lief ihr über den Rücken. Seine Antwort würde ihr nicht gefallen.
Martin legte ihr die Hand auf die Schulter. »Miranda«, meinte er sanft, jedoch mit einem harten Ausdruck in den Augen. »Lass mich das regeln.«
»Nein.« Sie nahm seine Hand und drückte sie. »Wir regeln die Dinge gemeinsam.«
Ein Muskel trat an Martins Kiefer hervor, aber er erwiderte ihren Händedruck.
»Dann bist du also fest entschlossen?«, unterbrach ihr Vater ihre Patt-Situation.
Miranda musterte ihn argwöhnisch. Der Tonfall seiner Frage war eigenartig. »Ja.«
Nachdenklich rieb ihr Vater sich das Kinn. »Dann braucht Martin eine anständige Arbeit. Das Gehalt eines Angestellten reicht nicht aus, um eine Ehefrau zu ernähren.«
Martins Kopf ruckte hoch. Das hoffnungsvolle Leuchten in seinem Blick und der gerissene Ausdruck in den Augen ihres Vaters ließen es Miranda flau im Magen werden. »Sir?«
»Du kannst gut mit Zahlen umgehen«, sagte ihr Vater zu ihm. »Was würdest du dazu sagen, wenn ich dich zum Schiffszahlmeister mache?«
Martin machte einen Schritt von ihr fort. Es fühlte sich an, als wäre eine körperliche Verbindung zwischen ihnen durchtrennt worden. »Ich würde sagen, dass ich Ihnen alle Ehre machen werde, Sir.«
Unvermittelt wurde Miranda bewusst, dass Martin fortgehen würde. Für Monate. Und dass er nicht gezögert hatte, das Angebot ihres Vaters anzunehmen. Scharf sah sie zu Martin hinüber, doch er wich ihrem Blick aus.
Vaters Lächeln war süß und geschmeidig wie Öl und Honig. »Natürlich wirst du das.« Er streckte die Hand aus und winkte ihn zu sich. »Komm, lass uns im Salon darüber reden.« Sagte die Spinne zur Fliege.
Kalte Angst kroch Miranda über den Rücken. Gewiss würde Vater doch nicht versuchen, Martin vorsätzlich zu schaden?
»Wir werden heiraten, bevor du fortgehst«, sagte sie scharf und deutlich, damit es keine Missverständnisse geben konnte. Wenn ihr Vater dachte, er könnte Martin loswerden, indem er ihn fortschickte, dann irrte er sich gewaltig.
Beide Männer blieben stehen, beinahe irritiert durch ihre Anwesenheit. Martin schluckte schwer, dann schenkte er ihr ein Lächeln. »Natürlich.« Er straffte die Schultern und meinte an ihren Vater gewandt: »Ich bestehe darauf.«
Um die Augenwinkel ihres Vaters zuckte es kurz, doch er blinzelte nicht. »Nun gut. Wenn du darauf bestehst.«
Sein Einverständnis war schlimmer als Widerstand, denn Miranda konnte nicht ergründen, warum er es gab. Der Mann tat nichts ohne Berechnung. Sie wollte Martin eine Warnung zurufen, fortlaufen und diesem Haus und allem, was sich darin befand, den Rücken kehren, doch dieser Gedanke erinnerte sie wieder an den Mann, der oben in ihrem Zimmer lag. Er brauchte sie jetzt. Sie konnte diese plötzliche Planänderung nicht mit Martin besprechen, solange ein anderer Qualen litt.
Nichtsdestotrotz hätte sie Martin beinahe hinterhergerufen, doch er und ihr Vater waren bereits auf halbem Weg aus der Küche und in ihre Unterhaltung vertieft. Grübchen zeigten sich auf Martins Wange, als er über etwas, das ihr Vater sagte, strahlend lächelte. Das Lächeln war voller Wärme und so innig, als wäre der Empfänger der wichtigste Mensch auf der Welt. Sie wusste, wie mächtig dieses Lächeln war, denn es hatte schon oft ihr selbst gegolten. Nur hatte sie geglaubt, die einzige zu sein, der er es schenkte.
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Irgendwo … 16. März 1881
Allmählich wurde er sich wieder seiner selbst bewusst … – und des Nachthimmels, der sich nun über ihm erstreckte. Wohin war der Salon verschwunden? Leland und die anderen? Unter der schimmernden Mondsichel hoben
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