Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)

Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)

Titel: Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
Vom Netzwerk:
Estland, einer der ganz wenigen Staaten des ehemaligen Ostblocks, dessen Sprache nicht mit dem Russischen verwandt war. Ihr Bezug zum Russischen war mindestens ebenso vage wie seiner.
    »Nicht mehr«, erwiderte Mickey und hoffte, damit Recht zu haben. In diesem verdammten Wald sah ein Baum aus wie der andere, seine Orientierung war hart auf die Probe gestellt. Er vermutete zwar, die richtige Richtung gewählt zu haben – sicher war er sich nicht.
    »Wie kannst du in der Dunkelheit sehen?«, wunderte sie sich.
    Mickey entschied sich für die einfache Erklärung. »Magie.« Für die ausführliche fehlte ihm der Wortschatz.
    Seine Antwort ließ sie vorerst verstummen. Sie hatte in dieser Nacht schon zu viel gesehen, als dass sie Magie als absurd abtun konnte – Menschen, die sich in furchterregende Rattenmonster verwandeln konnten, hatten das Potential, selbst in den größten Skeptikern den Glauben an das Übernatürliche zu wecken.
    Schweigend führte er sie weiter durch den Wald. Er hatte wieder seine verstärkten Sinne aktiviert, dies nun schon seit Stunden, und so langsam spürte er, wie ihn der Zauber auslaugte. Seine Knie waren weich und wackelig, er spürte dieses Kribbeln im ganzen Körper und hatte einen unglaublichen Heißhunger auf Süßes. Viel länger würde er nicht mehr durchhalten – er brauchte dringend eine Pause, ein paar Stunden Schlaf, bevor er wieder fit und kampfbereit war. Sein ursprünglicher Plan, die Nacht über durchzufahren und erst wieder in Bergen zu schlafen, war völlig utopisch. Irgendwo würden sie Rast machen müssen, vielleicht auf einem Parkplatz in der Wildnis oder in einer abgeschiedenen Pension.
    Er warf einen kurzen Blick über die Schulter, in Tanyas totenbleiches Gesicht.
Pension klingt besser
, beschloss er. Solange die junge Queen nicht ihr Initiationsritual hinter sich hatte, war sie genauso anfällig für Krankheiten und Verletzungen wie ein gewöhnlicher Mensch. Und Kälte und Regen dieser Nacht waren wahrlich genug, um auch einen robusteren Menschen als die schlanke Estin krank zu machen. Der Sturm hatte mittlerweile zwar nachgelassen, doch dafür war die Kälte umso deutlicher zu spüren, die nun durch klamme Kleider kroch und sich auf feuchter Haut niederließ.
Ja
, beschloss Mickey noch einmal.
Eine Pension.
Dort konnte das Mädchen eine warme Dusche nehmen und ihre Kleider trocknen – vielleicht gab es sogar einen Satz frische Klamotten für sie. An sich selbst verschwendete er dabei keinen Gedanken. Er war ein Rattenmensch. Ein Krieger unter den Rattenmenschen. Er brauchte keine Annehmlichkeiten.
    Vorsichtig führte er sie weiter durch den nächtlichen Wald, warnte sie hier vor einem vorschnellenden Ast, steuerte sie dort an einem allzu wilden Dickicht vorbei. In seiner Rechten hielt er weiterhin den Abzug der AK-47 umklammert, deren Trageriemen er über der Schulter trug. Die Waffe war durchgeladen und entsichert. Wenn es nötig wurde, könnte er damit binnen Sekundenbruchteile feuern. Mädchen loslassen, linke Hand an den Kolben, zielen, abdrücken, ba-damm, toter Hexer. Auch wenn der Clan solche Kriegswaffen wie die AK-47 nur selten verwendete, war er hervorragend daran ausgebildet. Das altgediente russische Sturmgewehr war auf dem Schwarzmarkt so verbreitet, dass es eigentlich nur eine Frage der Zeit war, bis man im Verlauf eines Rattenlebens darüber stolperte. Und seinem Arm ging es wieder gut genug, um damit ein Gewehr zu stabilisieren.
    »Ich verstehe nicht –«, begann Tanya, doch just in diesem Moment hörte Mickey in der Ferne etwas.
    »Shshshsh!«, machte er und blieb stehen. »Runter!«
    Sie folgte seinem Befehl ohne langes Nachfragen, was er ihr sehr zugutehielt. Sie hatte längst akzeptiert, dass sie hier völlig hilflos war, und verließ sich ganz auf sein Urteil. Vielleicht lag es daran, dass sie ein Mädchen war. Männer klammerten sich viel länger an die Illusion, die Situation unter Kontrolle zu haben. Mickey hatte in seinen Jahren als Rattenmensch schon manch eine junge Ratte ausgebildet und wusste Tanyas Akzeptanz sehr zu schätzen. Er kroch mit ihr in die nadelige Baumkrone einer frisch gestürzten Fichte und wies sie an, mucksmäuschenstill zu sein.
    Nichts passierte. Der Wind rauschte in den Baumwipfeln, der Regen plätscherte auf dem Boden, in der Ferne zog das Gewitter grollend weiter. Durch seine verschärften Sinne hörte er Tanyas Atem, laut und deutlich, etwas schneller, als er eigentlich sein sollte. Kein Wunder. Das Mädchen

Weitere Kostenlose Bücher