Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
zündete sich eine zweite Zigarette an und dann noch eine dritte, während er darüber nachdachte, was er nun weiter tun wollte. Schließlich fand er in einer Schublade einen Schreibblock und begann, eine Nachricht an sein Rudel zu schreiben – irgendwann würde Colt schon wieder zurückkehren –, als er Schritte auf dem Gang hörte. Schwere Schritte, gemächlich und langsam.
Zu
langsam. Kein Mensch schlenderte so gemütlich durch ein Haus wie dieses hier. Mickey zog sich vom Fenster zurück und griff nach seiner Pistole.
Dann entspannte er sich wieder, als er über die empathische Verbindung die Nähe eines Rudelbruders spürte.
Spider.
Er legte die Pistole auf den Schreibtisch und sah aus dem rußverschmierten Fenster zu den benachbarten Blöcken.
Die Schritte traten zum Eingang, worauf es einmal kräftig an der Tür klopfte.
»Komm rein«, rief Mickey. »Ich habe nicht abgesperrt.«
Die Tür öffnete sich mit einem Klicken. Die Schritte kamen näher, die Tür fiel wieder ins Schloss. Der Mann trat in den Wohnraum, blieb jedoch im Durchgang stehen.
»Alleine?«, fragte Mickey.
»So ungefähr«, antwortete Spiders Stimme.
»Du warst schnell hier.«
»Wir wären blöd, wenn wir diese Wohnung nicht überwachen würden. Du weißt, dass er tot ist?«
Mickey zog die Augenbrauen zusammen und drehte sich um. »Wer ist tot?«
Spider trug einen grauen Trenchcoat mit hochgestelltem Kragen, unter dem er vermutlich sein Samuraischwert versteckt hatte, dazu einen braunen, karierten Schal und eine schwarze Wollmütze, die irgendwie nicht so recht dazu passen wollte. Seine Füße steckten in Springerstiefeln, vor den Augen trug der Albino eine orange getönte Sonnenbrille. Sein Gesicht war emotionslos und kalt. »Colt«, antwortete er regungslos. »Hast du es nicht gespürt?«
Ein eiskalter Schauer lief Mickeys Rücken hinab. Colt war tot? Er zwinkerte mehrmals. Ja, jetzt, wo er in sich hineinhörte, spürte er die Leere, die sonst die schwache, kaum merkliche Präsenz eines Bruders ausfüllte. Es war ihm nicht aufgefallen. Auch den scharfen, stechenden Schmerz im Augenblick des Todes hatte er nicht verspürt. Zugegeben, er war wohl weit weg gewesen in dem Moment, in dem es passiert war, aber trotzdem … Er schluckte, wandte sich ab, sah wieder nach draußen. »Nein.« Erschüttert zog er die Kippenpackung aus der Tasche und steckte sich eine weitere Zigarette in den Mund. »Nein. Ich habe nichts mitbekommen. Was ist passiert?« Etwas verspätet reichte er Spider die Packung.
Dieser lehnte mit einem kurzen Kopfschütteln ab. »Er hat den Mann aus dem Sicheren Haus in das Krankenhaus nach Molde gebracht. Er hat im Krankenhaus gepennt, in einer Sitzgruppe auf irgendeinem Korridor. Dort haben sie ihn erschossen.«
»Die Angreifer?«
»Verschwunden.«
»Wer war es?«
»Keine Ahnung. Vielleicht ein paar Hexer aus Kristiansund oder Trondheim, die den Fjord für einen Gegenangriff ausspähen. Vielleicht Schatten … Wer weiß?«
»Wieso Schatten?« Mickey wollte wissen, was man in Bergen wusste über den Vorfall zwischen ihm und Geshier.
»Tarakir könnte herausgefunden haben, dass wir ihn mit dem Sicheren Haus geleimt haben … Vielleicht ist das seine Art, sich für so was zu rächen.«
Mickey nickte nachdenklich. Ja, es war möglich, dass der Vorfall nichts mit Geshiers Attentat zu tun hatte. So recht wollte er jedoch nicht daran glauben.
O Himmel, Colt war tot! Er schloss die Augen, rieb sich an der Stirn. Konnte es überhaupt noch beschissener laufen als jetzt?
»Wie ist es dir ergangen?«, erkundigte sich Spider.
Mickey musste erneut schlucken. Er hatte versucht, nicht daran zu denken, all diese Tage, in denen er sich in Schweden und Südnorwegen herumgedrückt hatte, um seine Verfolger abzuschütteln und bloß nicht auf diese verfluchte E14 zurück zu müssen. Manchmal war es ihm sogar gelungen. Doch viel zu oft hatte er an sie denken müssen, an Tanya, die Hoffnung seines Clans und nicht zuletzt auch seine Geliebte. Natürlich wäre es vermessen gewesen, nach jener einen Nacht an irgendetwas wie Liebe zu denken, doch seine Psyche machte genau das daraus – eine Frau, die freiwillig mit ihm ins Bett gestiegen war,
musste
er ja fast lieben. Es war zu lange her, dass ihm das das letzte Mal passiert war.
»Ich habe sie verloren«, antwortete er mit rauer Stimme und wusste im gleichen Moment, dass es die falsche Wortwahl gewesen war. Er hatte es gar nicht so gemeint, hatte zum Ausdruck bringen wollen, dass
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