Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
unbegrenzt sein, doch meine ist es nicht. Der Winter naht, und meine Leute brauchen ihren Jarl. Also esst und schlaft. Wir werden morgen früh aufbrechen.«
Seog schluckte. Ivars plötzliche Härte erwischte ihn auf dem völlig falschen Fuß. Hastig nickte er und begann, das vortrefflich gewürzte Fleisch in sich hineinzuschlingen. Er musste sich beeilen. Sie würden morgen früh aufbrechen.
MICKEY (7)
Bergen, Norwegen
Freitag, 12. November 1999
Die Außenwelt
Es war warm in der Lounge der
MS Jupiter
. Angenehm. Geradezu einschläfernd. Draußen an den Bergener Kais war die Hölle los, die Stadt des Regens war vom Schneechaos überrascht worden und völlig überfordert. Hier drinnen war jedoch nichts davon zu spüren. Alles war in bester Ordnung.
Zumindest versuchte Mickey, sich das einzureden.
Es war wieder die
MS Jupiter
, dasselbe Schiff, mit dem er schon vor zwei Wochen in Bergen angekommen war. Wie damals lag eine spektakulär gescheiterte Mission hinter ihm. Wie damals war er nachdenklich und niedergeschlagen. Die Situation war praktisch die gleiche.
Und doch war alles anders.
Dieses Mal war er allein. Kein Armstrong würde ihm mit seiner großen Hand auf den Rücken klopfen und ihn auffordern mitzukommen. Kein Spider würde sarkastische Kommentare von sich geben. Kein Colt würde …
Was auch immer er damals getrieben hat. Nichts wahrscheinlich. Wie immer. Hör auf, rumzuflennen, Mickey!
Er stand auf und griff nach seinem Rucksack. Er war voller als der, den er von Hamburg mitgebracht hatte, schließlich hatte er in Oslo ein Auto zu verscherbeln gehabt. Auch die AK-47 hatte er eingetauscht,
und
er hatte festgestellt, dass die Osloer Renegaten einen hervorragenden Schwarzmarkt für übernatürliche Gegenstände besaßen. Er hätte ohnehin unmöglich mit Geshiers Schattenklinge zurück nach Bergen kommen können. Dafür trug er nun einen Hexerdolch aus Indien am Gürtel, mit einem Griffsowie einem Handschutz aus Elfenbein und einer Klinge aus gefälteltem Stahl.
An der Landungsbrücke stand ein Steward und sah ihm mit aufgesetztem Lächeln entgegen. Mickey ignorierte ihn. Er wollte gar nicht wissen, ob es derselbe war wie vor zwei Wochen. Selbst als der Mann »Pass auf dich auf, die Straßen sind eisig glatt« zu ihm sagte, reagierte er nicht darauf. Ihm war nicht nach Reden. Definitiv nicht.
Die Straßen draußen waren tatsächlich glatt. Glatt und nass, offenbar hatte die Eisschicht begonnen, von oben her aufzutauen. Kein Wunder, dass auf den Straßen Chaos herrschte. In Bergen rechnete man einfach nicht mit Schnee und Eis. Nur mit Regen.
Als Erstes musste Mickey herausfinden, was sich in der Zwischenzeit ereignet hatte. Er hatte schon auf der
Jupiter
darüber nachgedacht, mit wem er darüber sprechen sollte. Vorerst hielt er es für besser, wenn die Schatten nicht erfuhren, dass er zurück war, weshalb die Queen schon einmal ausschied – immerhin waren Ashkarunas Geisterbeobachter stets in ihrer Nähe und würden den Schattenlord wohl informieren, wenn er dort aufkreuzte. Die anderen Rudelführer waren nicht so einfach zu kontaktieren, ohne die üblichen Treffpunkte zu benutzen, über die auch die Schatten informiert waren. Es war das Beste, wenn er sich erst mal mit seinem Rudel traf. Es war ohnehin höchste Zeit, sich wieder mit seinen Brüdern in Verbindung zu setzen. Selbst wenn ihm schon jetzt klar war, dass das Treffen nicht gerade unter dem besten Stern stehen würde.
Für das Treffen mit dem Rudel gab es zwei Optionen: Mickeys Gang, die
Hearts of Pain
, hatte drei Stammlokale in der Stadt, in denen er sich nach ihnen erkundigen konnte. Das Problem daran war bloß, dass Mickeys Verbindung zu den
Hearts
auch den Schatten wohlbekannt war. Deshalb entschied er sich für die zweite Option, Colts Privatwohnung. Der Junge hatte sich nie recht von seiner früheren Existenz lösen können und deshalb noch immer die Fassade eines normalen Lebens aufrechterhalten. Nur wenige wussten, wo er wohnte – und keiner davon war ein Schatten.
Mickey ging zu Fuß. In den Klamotten, die er sich mittlerweile zugelegt hatte, würde ihn keiner vermuten; das Wetter ermöglichte es ihm, sich zusätzlich hinter Schal und Mütze zu verbergen. Dazu kam ein Zauber, den er als Aufschlag für Geshiers Klinge erhalten hatte, ein Goldring mit germanischen Runen. Da heutzutage offenbar jeder seine Aura tarnen konnte, war die Zeit gekommen, es ihnen nachzutun. Somit würde ihn auch ein zufälliger Scan eines
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