Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
er sein schutzbefohlenes Mündel verloren hatte, die Ware, die er als Bote zum Ziel bringen sollte. Doch sein Satz konnte auch etwas ganz anderes bedeuten, etwas sehr viel Persönlicheres. Etwas, was Spider um Himmels willen nicht hören sollte. Am liebsten hätte sich Mickey auf die Zunge gebissen.
»Was ist passiert?«, fragte Spider nur. Vielleicht war ihm die Doppeldeutigkeit nicht aufgefallen.
»Geshier hat sie getötet. Aus dem Hinterhalt heraus, ein einziger Schuss. Hauptschlagader, schätze ich. Ich konnte nichts tun.«
»Geshier?«, fragte Spider verblüfft.
»Ja. Er hat versucht, auch mich umzulegen. Dafür ist er jetzt tot.« Mickey seufzte, nahm einen langen Zug an der Zigarette, blies den Rauch nachdenklich durch seine Nase. »Aber sie auch.«
»Hintermänner?«
»Keine Ahnung. Ich hatte keine Zeit, mit ihm darüber zu sprechen. Aber ich glaube nicht, dass er alleine auf die Idee gekommen ist.«
»Also Rushai?«
Mickey schnitt eine Grimasse. »Wenn es ein Ranger gewesen wäre, hätte ich sofort ja gesagt. Aber Geshier … Den hätte auch Ashkaruna schicken können.«
Spider nickte nachdenklich. Nach einer Weile sah er abrupt hoch und fixierte Mickey mit seinen roten Augen. »Und jetzt hast du sie verloren, hmm? Merkwürdige Art und Weise, zu sagen, dass das Mädchen getötet wurde.«
»Was meinst du?«, erwiderte Mickey, der genau wusste, was Spider meinte. Dem Albino war seine Wortwahl also doch aufgefallen. Und natürlich war Spider von vornherein misstrauisch gewesen. Wahrscheinlich hätte Mickey sagen können, was er gewollt hätte, Spider war so auf das Thema fixiert, dass er trotzdem damit angefangen hätte.
»Ich meine damit, dass du nicht aussiehst wie jemand, der sich über den Triumph eines Gegners ärgert. Du siehst aus wie jemand, der seine Geliebte verloren hat. War sie das, deine Geliebte?«
Wütend sah Mickey auf. In diesem Moment hasste er Spider, von den Haaren bis zur Zehenspitze, seine kranken roten Augen, seine weißen Haare, seine blauen Venen, die durch seine blasse Haut hindurchschimmerten. »Wie kommst du auf diesen Scheiß!«, giftete er.
Spider lachte trocken. »Ertappt.«
»Was für ein Schwachsinn!« Mickey schüttelte den Kopf.
»Kein Schwachsinn«, erwiderte Spider, nun ebenfalls gereizt. »Wenn nichts gelaufen wäre, wärst du nicht so sauer geworden. Spöttisch vielleicht oder überrascht. Nicht sauer. Aber es ist wasgelaufen. Du Arschloch hast uns davongeschickt, um selbst etwas mit ihr anzufangen! Erzähl mir, warum du es getan hast! Wolltest du den Einfluss, den du auf die alte Queen hast, bei der neuen festigen? Hattest du Angst, deinen Status zu verlieren? Oder war dir nur einfach wieder mal nach Ficken?«
»Jetzt halte deine verdammte Fresse!«, herrschte Mickey ihn an. Keine von Spiders Anschuldigungen traf zu, und das machte ihn wütend. Ihm half dabei auch nicht, dass er es hatte kommen sehen. Schon bevor er mit Tanya geschlafen hatte, hatte er gewusst, dass er mit Spider Schwierigkeiten kriegen würde. Und nun war es so weit, und Spider reagierte genau so, wie Mickey es vermutet hatte. Er war dumm gewesen, töricht, und nun musste er den Preis dafür zahlen. »Sie ist zu mir gekommen, nicht umgekehrt! Hätte ich nein sagen sollen? Hättest
du
nein gesagt?«
»Sie ist zu dir gekommen, genau!« Spider lachte wieder, doch sein Gesicht war verzerrt von Hohn und Abscheu. »Du glaubst nicht wirklich, dass ich dir das abnehme, oder? Was hast du ihr versprochen, dass sie dich an sich rangelassen hat? Einfluss und Macht? Ein besseres Leben in unserem Clan? Geld? Oder hast du sie am Ende gar nicht gefragt?« Spider hatte sich davonreißen lassen von einer Welle aus Frustration und Wut über das Schicksal, das für ihn anscheinend ein Singledasein vorgesehen hatte. Mickey kam ihm da offenbar gerade recht als Sündenbock.
Es reichte Mickey. Mit Spider war im Moment nicht zu reden, er musste warten, bis sich der Albino irgendwann wieder beruhigt hatte. Es war Zeit zu gehen. Doch als er nach der Waffe auf dem Schreibtisch griff, zuckte Spider zusammen und riss seine eigene Pistole hervor, eine italienische Beretta. Mickey hob abwehrend die Hände und fuhr den Albino an: »Was ist? Ich will sie wegstecken, Mann! Glaubst du im Ernst, ich will auf dich schießen?«
»Warum ausgerechnet jetzt? Die liegt dort ziemlich gut!«
»Ich will gehen, Spider, also nimm das dämliche Ding runter!«
»Gehen? Oh nein, Mickey, so leicht kommst du mir nicht davon. Nicht
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