Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Lippen.
Als die Stille schließlich kaum noch auszuhalten war, meinte Geshier: »Nun gut. Richte Derrien aus, dass er den Kopf nicht bekommen wird, und wenn er sich auf den Kopf stellt und Walzer tanzt. Dein Zeugnis wird ihm wohl genügen müssen.«
»Ja, Herr.«
»Und nun verschwinde von hier, so schnell du kannst. Und sei versichert, dass ich mir etwas ganz Spezielles für dich einfallen lasse, falls wir uns tatsächlich noch einmal wiedersehen.« Damit winkte ihn Geshier mit einer abfälligen Geste davon.
Baturix beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Als er die Wendeltreppe hinabeilte, hörte er, wie Geshier hinter ihm in schallendes Gelächter ausbrach. Das Lachen verfolgte ihn die Leiter hinab in den Hof, und selbst dort war es zu hören, bis erschließlich mit seinen Männern die Festung durch den Torturm verlassen hatte. Erst auf dem Vorfeld der Burg, das bereits zum Trollstigenpass gehörte, verstummte die Stimme des Schattens hinter ihm.
Trotz der Kälte war Baturix schweißgebadet, sein Herz schlug wild und hart in seiner Brust. Er hatte das Gefühl, nur ganz knapp mit dem Leben davongekommen zu sein. Geshier war ein Mörder, da hatte Baturix keine Zweifel. Ein Schattenmörder.
Er versuchte den Gedanken abzuschütteln. Dennoch wurde er den Gedanken an den geschminkten Mann nicht los. Selbst als sie schon längst die tiefe Finsternis des Passes erreicht hatten und durch Schnee und Dunkelheit stapften, hatte er noch das Gefühl, verfolgt zu werden. Er betete darum, bald auf die Waldläufer zu treffen, die hier irgendwo auf sie warteten, doch er wusste nicht, ob er sich auf die Begegnung mit Derrien freuen sollte. Der Schattenfeind schuldete ihm ein paar Antworten.
Baturix war sich nur nicht sicher, ob er tatsächlich den Mut hatte, sie sich anzuhören.
DERRIEN (1)
Auf dem Trollstigen-Pass, Norwegen
Montag, 01. November 1999
Die Innenwelt
Die Nacht war eisig kalt, so kurz vor dem Winter, so hoch auf dem Pass. Eisklümpchen hatten sich in Derriens Bierkrug gebildet und stießen jedes Mal klimpernd aneinander, wenn er trank. Mit jedem Atemzug tanzten kleine Dampfwölkchen vor seinem Mund. Ein unruhiger Wind zerrte an den Zeltwänden.
Derrien störte sich nicht an der Kälte. Er besaß die Kraft der Zähigkeit, die ihn viel unempfindlicher machte als gewöhnliche Menschen. Abgesehen davon konnte er sich als Druide von Erfrierungen folgenlos erholen. Es war ein Willenstest, der Kälte zu widerstehen, einer, den er gewinnen würde. Außerdem half ihm die Kälte, seine Gedanken auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Das Wesentliche war die Festung Trollstigen. Die, die er ans Messer geliefert hatte, indem er Baturix und seine Männer geschickt hatte, um den Zauber der Alarmglocke
Andraste
auszuschalten. Wenn alles so passiert war wie geplant, hatten in dieser Nacht die Nain unter Rushais Kommando die Festung im Sturmangriff genommen. Wenn alles nach Plan gelaufen war, war Veronika Wagner jetzt tot.
Er sah auf, als er draußen Stimmen hörte. Fackelschein flackerte auf den Zeltwänden, schlecht zu erkennen im Licht der Morgendämmerung.
Verschwendung guter Fackeln
, dachte er. Vermutlich waren es Baturix’ Männer, die nach Vollendung ihrer Mission die halbe Nacht lang durch die Einsamkeit und Stille des verschneiten Passes marschiert waren. Wenn ihnen Licht und Wärme ihrer Fackeln geholfen hatten, trotz der Strapazen nicht aufzugeben, konnte Derrien das gerade noch akzeptieren.
Schwere Schritte knirschten im Schnee. »Derrien?«, fragte eine raue Stimme von draußen. Sie gehörte Orgetorix, einem helvetischen Druiden, der seit etwa einem halben Jahr zu den Waldläufern gehörte. »Die Männer von der Festung sind zurück.«
»Baturix?«
»Ist auch dabei. Soll ich ihn herbringen?«
»Ja. Ihn und die Druiden. Es wird Zeit, Kriegsrat zu halten.«
»Jawohl, Herr.« Die Schritte entfernten sich wieder.
Derrien griff nach der Öllampe auf seinem Klapptisch und hob das Glas an, um den Docht darunter etwas zu verlängern. Bisher war er in fast vollständiger Dunkelheit gesessen, doch er wusste, dass die Männer seine Angewohnheit als eher merkwürdig empfinden würden. Nicht, dass das etwas Neues für sie wäre, doch heute musste er vorsichtig sein, musste den perfekten Anführer mimen. Schließlich hatte er mit seinem Verrat nicht nur die Germanen in der Festung, sondern auch den kompletten Romsdalsfjord ans Messer geliefert – wo nicht nur Germanen, sondern auch der Stamm der
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