Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Schließlich deutete er zum Westturm und meinte skeptisch: »Geht dorthin.« Er machte keine Anstalten, sie begleiten zu wollen.
»Wartet hier!«, befahl Baturix seinen Männern, bevor er selbst losging. Er spürte die misstrauischen Augen des Schattens in seinem Rücken und widerstand der Versuchung, sich nach ihm umzudrehen, bis er den Turm fast erreicht hatte. Erst dann warf er einen Blick über seine Schulter und sah, dass sich Kru’shaark mittlerweile abgewandt hatte und zurück zu seinem Tor marschierte. Baturix’ Männer standen verloren inmitten des Burghofes, eng zusammengedrängt wie eine kleine Schafherde inmitten eines riesigen Wolfsrudels.
Sie brauchen uns gar nicht zu bewachen
, stellte Baturix fest. Die Angst, hier inmitten ihrer schlimmsten Gegner etwas Falsches zu tun und damit die Wut der Schatten zu provozieren, war besser als jeder Aufpasser.
Unter dem Westturm arbeiteten zwei Männer im Schein einiger Fackeln. Einer – ein dunkel gelockter, gedrungener Mann in dunklen Hosen und einem wollenen Kleidungsstück, das Baturix in seinem alten Leben in der Außenwelt als »Pullover« bezeichnet hätte – war gerade dabei, mit einem Strick einen ledernen Sack zuzubinden, aus dem nur noch ein Kopf heraussah. Das Frauengesicht war blass und blutleer, regungslos und totenstarr. Baturix wandte mit einem flauen Gefühl im Bauch den Blick ab und sah zu dem zweiten Mann, einem hageren, hochgewachsenen Gesellen mit weiß geschminktem Gesicht, der an der Mauer lehnte, dieHände in die Taschen seines langen Mantels gesteckt. Baturix stolperte beinahe über einen weiteren Leichnam, der vor den beiden auf dem Boden lag, sein Körper nackt und von Kopf bis Fuß mit dunklen Runen bemalt. Er lag auf einer einfachen Tierhaut, Arme und Beine an Pflöcken festgebunden.
Schwarze Magie
, dachte Baturix mit einem Schauer und schickte ein Stoßgebet zu Dagda.
Herr der Toten, lass sie ein in dein Reich, bevor ihre Seelen der ewigen Verdammnis der Schatten zum Opfer fallen!
»Was willst du?«, fragte der geschminkte Mann gelangweilt.
»Verzeiht, Herren«, murmelte Baturix und deutete eine kurze Verbeugung an. Für einen Moment hasste er sich dafür, sich so vor dem Feind zu erniedrigen. »Man hat mich hierhergeschickt, weil ich die Fürstin Gudrun sehen soll.« Als die beiden nicht sofort reagierten, fügte er hinzu: »In der Außenwelt hieß sie Veronika Wagner.«
Der Blick des Geschminkten huschte kurz zu dem Sack mit dem Frauenkopf. »Und man hat dich tatsächlich hierhergeschickt?« Plötzlich wirkte der Mann hellwach, geradezu angespannt. »Welcher Idiot war das?«
Baturix schluckte. »Der Mann mit dem Schuppenpanzer … Der am Tor die Männer zählt …« Die plötzliche Angst machte seinen Mund trocken. Der Geschminkte benahm sich ganz so, als ob Baturix etwas gesehen hätte, was er nicht hätte sehen dürfen – und er verstand noch nicht einmal, was es war!
»Kru’shaark also. Dieser Narr!« Der Geschminkte ließ langsam seinen Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel gleiten.
Baturix starrte die Klinge an, in der sich der flackernde Schein der Fackeln widerspiegelte. Langsam wich er davon.
»Zurück, Geshier!«, rief der gelockte Schatten mit erstaunlich tiefer Stimme. »Kru’shaark hat Recht getan. Ich weiß, wo sich diese Gudrun befindet.«
Baturix beobachtete gebannt, wie der Geschminkte, der offenbar den Namen Geshier trug, die Klinge wieder in die Scheide schob, ohne jedoch auch nur ein einziges Mal seine Augen von Baturix zu nehmen. Das Gefühl, hier etwas verpasst zu haben, wasmöglicherweise wichtig war, wurde riesengroß. Doch Baturix blieb keine Zeit darüber nachzudenken. »Ihr wisst, wo ich sie finden kann?«, erkundigte er sich und machte einen Schritt auf den Gelockten zu. Dabei warf er noch einmal einen unauffälligen Blick auf das Gesicht der Toten im Sack, doch er hatte sich beim ersten Mal nicht geirrt: Das dort war definitiv nicht Gudrun, selbst wenn Geshiers Verhalten kurz darauf hingedeutet hatte.
Plötzlich riss die Frau fauchend die Augen auf. Baturix stieß einen kurzen Schrei aus und sprang zurück, noch im Landen das Schwert aus seiner Scheide reißend. Im nächsten Moment wurde ihm klar, dass er damit wohl sein Todesurteil besiegelt hatte – die Schatten würden kaum eine Klinge in seiner Hand tolerieren, schon gar nicht so nahe einer Kreation ihrer schwarzen Magie!
Doch anstatt ihn anzugreifen, begann der geschminkte Mann zu lachen, laut und hämisch.
»WASSS
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