Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
putzte genüsslich den Rest seiner Wurst weg und trank noch einen Schluck Bier nach. Dann warf er einen kurzen Blick über die Schulter und beugte sich nach vorne. »Er wird in der Silvesternacht auf dem Ulrikken sein. Die Dunklen haben die Bergstation der Seilbahn gemietet und planen irgendetwas. Etwas Großes, wenn du mich fragst.«
»Passend zur Jahrtausendwende«, murmelte Derrien. Er war in Gedanken bereits bei der Planung des Angriffs. Er würde Jarl Ivar auftragen, tagsüber den Germanenwald zu einem Angriff auf Åndalsnes zu bewegen, vielleicht konnte er damit eine Ablenkung schaffen und ein paar hochrangige Schatten aus Bergen abziehen. Nachts würde er dann, über die Berge kommend, in die Seilbahn einsteigen und Ashkaruna töten. Von seinen Spionen würde er Ingmar und Tom mitnehmen – die beiden Kämpfertalente würde er wahrscheinlich dringend brauchen. Åse ließ er besser daheim.
Torge hatte damals die Nacht in der Unterwelt nicht überlebt.
»Na?«, fragte Ernst. »Du siehst so konzentriert aus. Mit den Gedanken schon bei der Mission?«
Derrien nickte.
»Na, dann will ich dich dabei nicht länger stören.« Der Renegat stand auf, griff nach der Bierflasche. »Aber hey, Dmitriy …«
»Ja?«, fragte Derrien.
»Ich drücke dir die Daumen!«
Sie stießen noch einmal klirrend an, Ernst trank aus und stellte die leere Flasche auf den Tisch. Dann wandte er sich um undging zum Tresen, bezahlte seine Zeche, machte die Daumen-hoch-Geste in Richtung Derrien und verschwand.
Derrien sah ihm eine Weile nachdenklich hinterher. Er war mehr als nur ein wenig verwundert über diesen Renegaten, der sich nichts anmerken ließ von der bitteren Zeit, die er durchgemacht haben musste. Immerhin war sein Anführer in Gefangenschaft gewesen, waren seine Renegaten-Freunde einer nach dem anderen gefasst und in eine wie auch immer beschaffene Schatten-Sklaverei verkauft worden.
Er stieß einen Seufzer aus. Philosophische Gedanken halfen keinem. Entschlossen griff er nach seiner Wurst, schlang sie so schnell wie möglich hinunter, trank sein Bier aus und stand auf.
Es gab einen Überfall zu planen.
WOLFGANG (8)
Scandic Hotel, Lillehammer, Norwegen
Sonntag, 12. Dezember 1999
Die Außenwelt
Von außen wirkte das Scandic Hotel Lillehammer verlassen und unvollendet, eines von so vielen Bauprojekten, denen auf den letzten Metern Gelder und Investoren ausgegangen waren. Die Front bildeten ein gemauerter Bogen, unter dem Reisebusse hindurch in den Hof fahren konnten, und ein damit verbundener Vorbau für Bedienstete und Verwaltung. Einen neugierigen Besucher erwarteten leere Fensterhöhlen, freiliegende Stromkabel und graffitibeschmierte Wände.
Doch der Schein trog. Das eigentliche Hotelgebäude war nach offiziellem Abbruch der Bauarbeiten im April fertiggestellt worden und diente nun den örtlichen norðmenn als Sicheres Haus und Kommandozentrale. Es gab Sicherheitspersonal mit Tarnfleckuniformen und Maschinenpistolen, es gab Überwachungskameras und Wachhunde. Offiziell war das ganze Gelände an einen Betrieb vermietet, der Kampfhunde für den Einsatz bei militärischen Operationen züchtete.
Eine gute Idee
, fand Wolfgang. Er konnte sich kaum etwas Besseres vorstellen zur Abschreckung ungebetener Eindringlinge.
Im ersten Stock des Hauptgebäudes hatten die Architekten Vortragsräume geplant. Einen davon hatten die norðmenn beibehalten und mit Dia-Geräten, Mikrofonen und Tageslichtprojektoren ausgestattet. Zusammen mit den Ledersesseln hinter den hufeisenartig angeordneten Tischen machte der Raum einen sehr professionellen Eindruck. Beinahe
zu
professionell. Wolfgang war zwar selbst ein Außenweltler, aber dieser Raum schien eher zu einem der großen Umweltzerstörer-Konzerne zu gehören als zu einem Stamm.
Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor neun. Eigentlich müsste das Frühstück mittlerweile abgeschlossen sein. Vermutlich waren die Gesandten bereits auf dem Weg. Wolfgang selbst hatte heute auf ein Frühstück verzichtet, er war zu nervös und aufgeregt. Obwohl viele von ihm behaupteten, dass er eine große Klappe hätte, war er kein guter Redner.
Eine der Türen zum Flur öffnete sich. Herein kamen die ersten Teilnehmer der Konferenz: Fürst Søren und sein Begleiter, Leif Olavson, aus Trondheim, Fürst Harald mit gleich vier Begleitern aus Oslo, schließlich noch Fürst Ragnar aus Lillehammer sowie Fürst Helme aus Hamar. Wolfgang nickte ihnen zu, beließ es jedoch dabei. Er hatte
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