Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Künstler in seinen schlechten Zeiten und völlig fehl am Platze, doch zu Derriens Überraschung schien ihn der Wirt zu kennen. »Das Übliche?«, rief er ihm von hinter dem Tresen zu.
»Ja, das Übliche. Und eine Wurst in der Lompe 35 .«
»He, was geht? Hast du im Lotto gewonnen?«
»So ungefähr.« Der Mann lachte kurz und kam dann direkt auf Derriens Tisch zu. »Hallo, Dmitriy«, meinte er und zog sich einen Stuhl zurecht.
»Hallo … Ernst?«, erwiderte Derrien, überrascht von der unkonventionellen Art der Begrüßung.
»Du solltest die Lompewurst probieren, die ist hier wirklich lecker! Wartest du schon lange?«
Derrien schüttelte den Kopf. Er fühlte sich etwas überfahren vom Auftreten des Renegaten.
»Gut. Tut mir leid, aber ich wollte den Schauer vorhin noch abwarten. Habe keine Regenjacke mitgenommen.« Er grinste. »Du weißt schon, das übliche Bergener Problem.«
»Schon klar.«
Der Wirt kam und brachte Ernst ein Bayer-Bier in der Flasche, eine untypische norwegische Biersorte, von der Derrien nicht erwartet hätte, dass sie hier im Sortiment stand. Ernst bedankte sich und hob die Flasche zum Anstoßen, doch als er sah, was Derrien trank, verzog er angewidert das Gesicht. »Schmeckt dir das etwa?«
Derrien verzog kurz das Gesicht. »Nicht wirklich«, gestand er.
»Hmmm.« Ernst zuckte mit der Schulter. »Na, dann: Skål!«
»Skål.«
Die Flaschen stießen klimpernd aneinander. Ernst nahm einen tiefen Zug und stieß dann einen langen Seufzer aus. »Du fragst dich sicher, was ich dir zu sagen habe, stimmt’s?«
Die lässige Art des Renegaten machte Derrien noch immer zu schaffen. Irritiert nickte er.
»Nun. Martin hat mir gesteckt, dass du dich für den Krähenmann interessierst.«
Derrien zog überrascht die Augenbrauen nach oben. Plötzlich versprach das Gespräch höchst interessant zu werden, zumindest, wenn es sich bei Ernsts Krähenmann tatsächlich um den Rabenlord, um Ashkaruna handelte. »Wenn du mit Krähenmann –«, begann er, doch Ernst ließ ihn nicht zu Ende sprechen.
»Ich bin mir sicher, wir meinen dieselbe Person.« Offenbar hatte er Angst davor, Derrien könnte sich verplappern. Vielleicht wurde diese Kneipe genauer überwacht, als er erwartet hatte.
Derrien musste nicht lange über eine Antwort nachdenken. Ashkaruna war einer der Topleute auf seiner Liste. Der Rabenlord kontrollierte den Dämon und war damit der mächtigste Schatten an Norwegens Westküste. Ihm hatte Derrien auch die vielen kleinen Runennarben in seinem Gesicht zu verdanken, weswegen er in der Außenwelt ohne Latexmaske kaum noch das Haus verlassen konnte. Ashkaruna hatte ihn für ein düsteres Ritual vorgesehen gehabt, möglicherweise für das Bindungsritual seines Dämons.
Welch eine Ironie des Schicksals! Wenn sich Derrien nicht täuschte, war dies nun auf den Tag genau ein Jahr her. Eigentlich würde es passen, heute die Information zu erhalten, die er brauchte, um seine Rachegedanken in die Tat umzusetzen.
»Ja«, meinte er nach einem Schluck von seinem Bier. »Ich interessiere mich für ihn.«
Der Wirt unterbrach sie ein weiteres Mal, als er Ernst die Wurst in der Lompe brachte. Sie war mit Senf und Ketchup beschmiert und verströmte ein Aroma, das Derrien das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Für einen Moment haderte er mit sich – schließlich wollte er so schnell wie möglich von hier verschwinden, sobald er seine Informationen gesammelt hatte –, entschied sich dann aber für seinen Hunger. »He, hast du auch eine für mich?«, rief er dem Wirt hinterher.
Der Renegat biss herzhaft in seine Wurst. Mit halbvollem Mund erklärte er: »Ich weiß zufälligerweise ein Datum, an dem ich seinen Aufenthaltsort kenne. An diesem Tag stehen offenbar die Sterne günstig für etwas, was er erledigen muss. Wenn du willst, kann ich dir Zeitpunkt und Ort nennen.«
»Klingt interessant.« Derrien fiel es schwer, nicht durchblicken zu lassen, wie interessant es klang. Das war so ziemlich genau die Information, nach der er gesucht hatte. Er wartete, bis der Wirt, der ihm seine Wurst brachte, wieder verschwunden war. »Was willst du dafür?«
»Auge um Auge. Du hast uns Martin zurückgegeben. Wir geben dir die Krähe. Danach sind wir quitt.«
»Und dann?«
»Wird neu verhandelt.«
»Einverstanden.«
»Skål.«
Die Bierflaschen klimperten, als sie anstießen.
»Und«, fragte Derrien, nachdem er sich mit dem Handrücken über den Mund gewischt hatte, »wo soll die Party stattfinden?«
Ernst
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