Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Ich werde dort mit einem kleinen Team aus Jarlen in die Stadt eindringen, auf der Suche nach einem Zugang in die Sphärenwelten, in denen sich die Schatten vermehren. Mickey, bitte.«
Der Blick des Rattenmenschen huschte unstetig umher, während er erklärte: »Meine Spione haben herausgefunden, dass Lord Ashkaruna, der oberste Schattenlord der Region, in der Silvesternacht ein großes Ritual auf dem Berg Ulrikken im Stadtgebiet Bergen plant. Ich schätze, dass er mindestens ein Dutzend Schatten dabeihaben wird, eher noch mehr. Ich habe Derrien Schattenfeind diese Information zugespielt und rechne damit, dass er in dieser Nacht dort angreifen wird. Der Druide hat in der letzten Zeit zu viele Niederlagen einstecken müssen und wird sich die Chance kaum entgehen lassen.« Er machte eine kurze Pause, griff nach dem Wasserglas, das irgendein Bediensteter bei der Vorbereitung der Konferenz auf seinen Tisch gestellt hatte, schnüffelte kurz daran und nahm einen kräftigen Schluck. »In derselben Nacht werde ich versuchen, die Rattenkönigin meines Clans zu befreien. Sie wird von den Schatten gefangen gehalten, um unsere Kooperation zu erpressen. Jarl Wolfgangs Angriff, Derriens Attentat, mein Befreiungsversuch, dies alles zur gleichen Zeit im Chaos der Silvesternacht zum neuen Jahrtausend. Wir hoffen, dass das unter den Schatten so viel Verwirrung schaffen wird, dass wir unsere Ziele erreichen können.«
Wolfgang lächelte Mickey kurz zu, bevor er selbst wieder die Sprecherrolle übernahm. »Deshalb wäre es wichtig, wenn die Armeen spätestens bis Ende Dezember in Feindesland stehen. Je größer die Drohkulisse ist, desto mehr Schatten ziehen sie aus Bergen ab, desto größer werden unsere Erfolgschancen. Der Tod Ashkarunas, der immerhin den Dämon kontrolliert, die Unabhängigkeit des Bergener Rattenclans, eine Antwort auf die große Frage – wie vermehren sich die Schatten und wie können wir sie dabei stören –, all diese drei Ziele sind von äußerster Wichtigkeit. Ich sage es nicht gerne, aber dafür würde ich sogar eine Niederlage bei einer der bevorstehenden Schlachten in Kauf nehmen.«
Er sah in die Gesichter der Fürsten. Helm hatte ein grimmiges Lächeln auf den Lippen, Ragnar nickte, obwohl sein Gesicht aussah, als ob er gerade vom Tod seiner Mutter erfahren hätte. Søren war entschlossen – er war gewillt, mit einer schwächeren Armee gegen Rushai zu ziehen, ihm war von vorneherein klar gewesen, dass sein Kriegszug im Desaster enden konnte. Nur Harald, der bei alledem am wenigsten zu verlieren hatte, rümpfte die Nase. Wolfgang rechnete schon fast mit einer Ablehnung oder einer einschränkenden Forderung des Osloer Fürsten, doch schließlich zuckte der Mann bloß mit den Schultern, lehnte sich zurück und verschränkte wortlos die Arme.
»Dann seid ihr also alle einverstanden mit dieser Planung?«, fragte Wolfgang.
»Bei Thor und bei Odin«, erklärte Helm.
»Lasst es uns diesen Bastarden zeigen«, knurrte Søren.
Ragnar nickte mit zusammengepressten Lippen.
»Einverstanden«, bequemte sich Harald zu sagen.
Wolfgang lächelte grimmig. Bis hierher war es einfach gewesen. Nun begannen die Details. Er seufzte innerlich. Er wusste jetzt schon, dass er die Details hassen würde.
RUSHAI (6)
Am Romsdalsfjord, Norwegen
Samstag, 18. Dezember 1999
Die Innenwelt
Es herrschte Tauwetter im Tal des Romsdalsfjordes. Bis auf dreihundert Höhenmeter schmolz der in den letzten Wochen gefallene Schnee dahin und verwandelte Äcker und Wege in eine morastige Sumpflandschaft. Der Westwind blies eine stetige Brise ins Land, salzig und frisch. Die Fischer nutzten das vergleichsweise milde Wetter, um dem Meer einen Fang abzutrotzen. Rushai hatte mittlerweile fast alle Bootskapitäne zu Fomorern gemacht und belohnte sie gut, wenn sie mit vollen Netzen in die Bootsbucht der Stadt zurückkehrten.
Gerade kehrte eines dieser Boote zurück, der Rumpf schwer vom Fisch, das Segel vom Wind gebläht. Rushai beobachtete, wie der Kapitän seinen Kahn geschickt in den Hafen lenkte, wo eine Handvoll Arbeiter darauf warteten, den Fang zu übernehmen. Eimerweise stemmte die Besatzung die silbrig glänzenden Fischleiber durch die Luke auf das Deck, wo sie in Körbe gekippt und von den Arbeitern weggetragen wurden. Der Kapitän, ein Mann in mittleren Jahren und mit salzverkrustetem Bart, zählte aufmerksam die Anzahl der Körbe, ebenso wie der Hafenmeister, der die Arbeiter beaufsichtigte. Auch Rushai zählte eine
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