Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
mehr von deiner Courage abbeißen. Das muss man so anerkennen.«
»Schöner Spruch«, erklärte Alistair. Der Gesichtstauscher saß neben ihm auf der Bank und las in einem Roman. Dabei wirkte er völlig entspannt. Wolfgang fragte sich, ob diese Ruhe aufgesetzt war oder nicht. Er wusste, dass er es nie erfahren würde. Selbst in Alistairs altem Gesicht hatte Wolfgang nichts lesen können, doch nun hatte der Mann ein neues aufgesetzt, das einesalten, aber robusten Mannes mit wasserblauen Augen und buschigen Brauen. Es schien ausdrucksstark, ohne es tatsächlich zu sein.
»Ich muss es ja auch wissen«, erwiderte Wolfgang. »Was ich in meinem Leben schon gewartet habe …«
Meistens im Dreck in irgendeinem Gebüsch, darauf, dass die Wachen ein paar Schritte weitergehen …
Manchmal hatte ihn das Gefühl beschlichen, aufspringen und schreiend davonlaufen zu müssen, weil er die Angst nicht mehr ertragen konnte. Doch es war nie so weit gekommen. Immer dann, wenn das Gefühl übermächtig geworden war, hatte sich etwas ereignet, das sein Warten beendet hatte.
Aus dem Nebenraum drang leiser Gesang. Es war nicht mehr als eine Besenkammer, die Uirolec am Morgen bezogen hatte und in der er nun meditierte. Dabei trank er große Mengen eines merkwürdig riechenden Biers aus Besenheide und Malz, das er von zu Hause mitgebracht hatte. Wolfgang sorgte sich ein wenig um die Einsatzfähigkeit des Pikten heute Nacht, doch der Mann hatte sich nicht davon abbringen lassen, sich zu betrinken.
Das Klopfen an der Tür riss sie aus ihrer angespannten Lethargie. »Herein!«, rief Wolfgang. Die Tür ging auf, ein Soldat namens Helmer streckte den Kopf durch die Öffnung. »Wolfgang, ein Anruf für Sie. Unten an der Rezeption.«
Wolfgang warf Keelin einen kurzen Blick zu, die ihn jedoch nicht bemerkte, sondern sich wieder dem Fenster zuwandte. »Bin gleich wieder da«, murmelte er.
Eilig folgte er Helmer die Treppe hinab in den großen Empfangsraum der Jugendherberge, wo ein großgewachsener dicker Junge mit einem Kopfhörer über dem Schädel und ins Gesicht hängenden Haaren mit einem Mann in Motorradrockeroutfit diskutierte. Der Telefonhörer lag neben ihnen auf dem Tresen.
Wolfgang griff danach. »Ja?«
»Astrid hier. Ich habe einen Anruf für dich auf dem Satelliten. Ein Mann namens Stefan Marewski. Darf ich ihm deine Nummer geben? Es klingt dringend.« Astrid war Bauers Ehefrau, die für die Zeit ihrer Abwesenheit in das Sichere Haus gezogen war,um das Gebäude, vor allem aber die Funkstation und das Satellitentelefon zu bewachen.
»Ja, gib sie ihm. Ich lege gleich auf, er soll mich anrufen.« Wolfgang verabschiedete sich und reichte den Hörer an den dicken Jungen zurück. Was Stefan wohl von ihm wollte? Er hatte seit Hamburg nichts mehr mit dem Inquisitor zu tun gehabt.
Das Telefon klingelte. »Für dich?«, fragte der Junge genervt.
Wolfgang nickte und ließ sich erneut den Hörer geben. »Ja?«
»Hier Stefan Marewski. Ich habe eine Information für dich. Deine Vorwahl klingt nach Bergen?« Der Inquisitor hielt sich nicht mit Begrüßungen auf. Es passte zu ihm. Wolfgang hatte ihn als einen nüchternen, größtenteils emotionslosen Mann kennengelernt.
»Ja«, gab er zur Antwort.
»Ihr bekommt Besuch.«
»Bergen bekommt Besuch?«, hakte Wolfgang nach. »Oder wir ganz speziell?«
»Ich weiß nicht, wer ihr ganz speziell seid. Ihr in Bergen.«
»Von wem?«
»Die fliegende Eidechse vom letzten Mal.«
Wolfgang schluckte. Mit fliegender Eidechse konnte Stefan fast nur den Dämon meinen, der Hamburg damals heimgesucht hatte. Er hatte ihn ein wenig an einen Drachen erinnert, mit riesigen Schwingen und Feuer, das aus seinen Nüstern schoss. Es hätte nicht viel gefehlt, dass er Wolfgang zu Braten verwandelt hätte. Verkohltem Braten, wohlgemerkt. »Wie sicher ist das?«
»Ziemlich sicher. Angeblich will sich ihr Chef für das rächen, was die Schlange in seiner Stadt angerichtet hat.« Der Chef des Dämons war wahrscheinlich ein hochrangiger Hamburger Schatten. Der norwegische Dämon – die Schlange, von der Stefan gesprochen hatte – hatte während der Dämonenbeschwörung versucht, Hamburg unter einer Flutwelle zu ersäufen. Offenbar gab es hier eine alte Rechnung zu begleichen.
Ein Schauer lief Wolfgang den Rücken hinab. Der Hamburger Dämon kam? Hierher nach Bergen?
Heute Nacht?
»Bist du noch dran?«
»Ich wünschte, ich wäre es nicht mehr«, murmelte Wolfgang. »Ich kann hier nicht weg …«
Stefan schwieg für
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