Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
wieder hinlegte. Ein Krampf durchlief ihren Unterleib und ließ sie für ein paar Sekunden erstarren. Als er vorüber war, entschied sie, nun verzweifelt genug zu sein. Mühsam stand sie auf, zog ihre Hose hinab und hockte sich über den Kübel. Sie seufzte, als sie sich endlich entspannen konnte.
Über ihr quietschte in der Decke ein Balken und erschreckte Keelin. Gleich darauf hörte sie Schritte, leise Schritte, die ihr ohne das Quietschen gar nicht aufgefallen wären. Sie führten zielstrebig zur Falltür.
Keelin verdrehte die Augen.
Das muss natürlich jetzt sein!
, fluchte sie innerlich, während sie sich hochstemmte und versuchte, ihre Hose hochzuziehen. Einmal mehr verwünschte sie die Germanen, die die eisernen Armringe um ihre Handgelenke nicht nur mit der Wand verbunden hatten, sondern auch untereinander, so dass sie sie größtmöglich behinderten.
Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig, bevor sich die Falltür öffnete und der flackernde Lichtschein einer Fackel herabfiel. Verschämt schob sie mit dem Fuß den Kübel zur Seite und versuchte den intensiven Uringeruch zu ignorieren. Die Leiter wurde nach unten gelegt, ein Mann kletterte herab. Er sah sich kurz um, steckte die Fackel in seiner Hand in einen gusseisernen Halter an der Wand und wandte sich Keelin zu.
Sie blinzelte im Licht, versuchte, die Tränen wegzuzwinkern, die die plötzliche Helligkeit nach Stunden der Finsternis in ihre Augen trieb. Ihr Besucher war ein kleiner, muskulöser Mann, soviel konnte sie erkennen, doch seine Züge blieben in den Schatten verborgen, die das flackernde Licht der Fackel in sein Gesicht warf.
»Du hast dem Mörder geholfen«, erklärte er auf Englisch. Seine Stimme war eine unauffällige Männerstimme, etwas höher vielleicht als der Durchschnitt, sein Tonfall neutral und emotionslos.
Keelin zog die Augenbrauen nach oben.
Interessanter Beginn.
»Welchem Mörder?«, fragte sie nach, überrascht darüber, keine Angst zu verspüren.
Der Germane seufzte. »Bitte lass diese Spielchen, ja?« Er hatte fettiges braunes Haar, das flach an seinem Kopf klebte, wie wenn er noch vor kurzem einen Helm getragen hätte. Seine Kleider hatten zahlreiche Schnitte und Risse, deren Ränder oft dunkelbraun verfärbt waren. Er musste in diesen Kleidern gekämpft haben, schloss Keelin. Dem intensiven Schweißgeruch nach zu urteilen, war es noch nicht allzu lange her.
»Das sind keine Spielchen«, erwiderte Keelin. »Ich weiß wirklich nicht, wovon Ihr redet, Herr.«
Der Mann sah zur Seite, schnaubte abfällig, fuhr sich mit einer Hand durch das fettige Haar. Er wirkte nicht so, als ob er jetzt gerne hier unten war. »Alles klar. Du weißt natürlich von gar nichts.«
Keelin unterdrückte einen Seufzer. Das hier konnte ein sehr anstrengendes Gespräch werden. »Nein, Herr.«
»Du bist einer der Druiden, die vom
storthing
geflohen sind?«, erkundigte er sich.
Keelin versuchte erfolglos, nicht an Brynndrech zu denken. Die Flucht, der Kampf Brynndrechs gegen den germanischen Jarl, in dem er verletzt worden war, weil Keelin zu feige gewesen war, ihm zur Seite zu stehen … Sie schluckte mehrmals, nickte schließlich. »Ja.« Ihre Stimme klang belegt.
Der Germane sah bedrückt zu Boden. »Warum wolltet ihr sie töten?«, flüsterte er schließlich. »Warum bloß wolltet ihr sie töten?«
»Wen denn, Herr? Um wen geht es denn überhaupt?«
»Um Gudrun!« Der Mann blickte auf, sah ihr fest in die Augen.Seine Augen waren braun, rehbraun und unendlich traurig. Dann ließ er seinen Blick jedoch wieder sinken und hob seine Hand zu seinem Mund, um an einem der Nägel zu kauen. Sein rechtes Augenlid zuckte nervös. »Die Frau, die am
storthing
die Rede gehalten hat.«
Keelin dachte scharf nach. Ja, da war eine Frau gewesen – die einzige, um genau zu sein. Eine kleine Frau, noch kleiner als Keelin selbst, mit kurzen blonden Haaren und einem blassen Teint, schlank und drahtig. Sie hatte die Begrüßungsrede gehalten. Eine gute Rede, wie Keelin damals empfunden hatte, freundlich und respektvoll. Sie hatte sich bei den alliierten Völkern für ihr Kommen bedankt, hatte sich sogar für die Toten des Germanenaufstandes entschuldigt. In Keelins Augen war diese Frau die willkommenste Mitstreiterin für den Frieden gewesen, die sie sich hätte wünschen können. Sie umbringen zu wollen war völlig absurd.
Sie hielt abrupt mit dem Gedanken inne. Beim
storthing
waren ausschließlich germanische Fürsten geladen gewesen. Das bedeutete, dass
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