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Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)

Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)

Titel: Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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gut so. Keelin standen keine Gefühle mehr zu. Sie hatte mit Gefühlen abgeschlossen, so wie sie mit ihrem Leben abgeschlossen hatte. Die Zeit, die sie noch unter den Lebenden verbrachte, war nicht mehr ihre eigene. Sie gehörte der Eibe.
    Jeder Druide hatte ein Baumzeichen. Die Eibe war ihres. Als Brynndrech gestorben war, ihr einziger Freund, den sie zu lieben gelernt hatte in dem Jahr, das sie miteinander verbracht hatten, hatte sie Eibe um Hilfe angefleht. Doch ihr Baumzeichen hatte ihr nicht geholfen. Stattdessen hatte es auch
ihr
Leben gefordert. Keelin war mehr als bereit gewesen, es ihr zu geben.
    Keelin war Heilerin. Eibe hatte sie losgeschickt, um die tiefe Kluft zu heilen, die zwischen den beiden wichtigsten europäischen Völkern bestand – den Germanen und den Kelten. Die Nain wurden immer mächtiger, es war längst Zeit für die Völker, sich zu verbünden und gemeinsam gegen die Schatten zu kämpfen. Doch die Ahnen beider Völker wollten keinen Frieden. Sie hatten sich gegenseitig jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang gehasst, es gab keinen Magier, der nicht ihre bösen Stimmen hörte, wann immer er einem Vertreter des anderen Volkes begegnete. Oft genug kam es deshalb zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen, zum Teil mit Verletzten oder gar Toten. Das Blutvergießen wiederum schürte den Hass der Gegenseite, so dass die Ahnen eine beständige Spirale der Gewalt antrieben.
    Doch wenn die Völker weiter Krieg führten, würden am Ende die Schatten gewinnen. Die Welt würde zugrunde gehen. Keelin konnte dabei nicht untätig zusehen. Der Wunsch der Eibe hatte ihr aus tiefstem Herzen gesprochen. Die Völker brauchten Heilung. Die Welt brauchte Heilung.
    Das war der Grund, weshalb sie zur Harburg zurückgekehrt war. Natürlich hatte sie nicht mit einem freundlichen Empfang gerechnet, schließlich war sie erst vor anderthalb Monaten vonhier geflohen. Das
storthing
, die große Versammlung zwischen den Völkern, war phänomenal schiefgegangen, während der Nacht war es plötzlich zu Tumult und Blutvergießen gekommen. Neben ein paar anderen waren auch Brynndrech und Keelin geflohen, hinaus in das Elbwatt. Die Germanen würden sich kaum freuen, sie jetzt wiederzusehen.
    Brynndrech war draußen im Elbwatt umgekommen. Er war während ihrer Flucht verletzt worden, von einer magischen Klinge, deren Wunde die druidische Regeneration nicht heilen konnte. Anderthalb Wochen später, in denen sie völlig hilflos und verloren durch die Sümpfe gewandert waren, war Brynndrech an den Folgen dieser Verletzung gestorben, an simplem Wundfieber. Trotz ihres Wissens über Heilpflanzen und Medizin hatte Keelin hilflos dabei zusehen müssen.
    Und nun war sie zurückgekommen. Sie hatte mit den Jarlen, wie die Germanen ihre Magier nannten, reden wollen, nur reden; stattdessen hatte man sie nahezu wortlos in das Kellergeschoss des Turms der Harburg gesperrt, wo sie nun der Dinge harrte, die da kommen mochten.
    Über sich hörte sie schwere Schritte, beginnend aus der Richtung, wo sie die Eingangstüre zum Turm vermutete. Es waren mehrere Personen, doch Keelin konnte nicht einschätzen wie viele. Eine Zeitlang rumorte es, die leisen Stimmen einer gedämpften Unterhaltung drangen durch die Spalten in den Holzbalken der Decke zu ihr herab. Es waren allesamt Männerstimmen, was Keelin nicht sonderlich überraschte. Die Harburg war ein Vorposten im Niemandsland des Elbwatts, von dem aus die Germanen Raubzüge in das von den Schatten verseuchte Hamburg unternahmen. Es war kein Ort für Frauen, die bei den Germanen wie bei den Kelten größtenteils traditionelle Rollen wie Hausarbeit und Kindererziehung zu erfüllen hatten. Es war einer der wenigen Punkte, die Keelin an der Innenwelt sauer aufgestoßen waren. Heute war es ihr egal. Selbstverwirklichung der Frau? Lächerlich. Die Schatten hatten die Stämme mit dem Rücken zur Wand,
Überleben
stand an erster Stelle. Die Selbstverwirklichung der Frau konnte warten.
    Keelin schüttelte den Kopf. Sie war zynisch geworden im letzten Jahr.
    Bald wurde es wieder ruhig. Keelin vermutete, dass die Männer zu einer Bootsbesatzung gehört hatten, die gerade von einer Patrouille oder einem Raubzug zurückgekehrt waren. Nein, vermutlich nicht von einem Raubzug: Nach dem Untergang Hamburgs in der Feuersbrunst des Dämons würden es die Germanen gewiss nicht wagen, den Feind nur eine Nacht später wieder zu provozieren.
    Erneut begann ihre Lage unbequem zu werden. Ihre Ketten klimperten, als sie sich

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