Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
die nach ihnen kommen werden. Ich weiß nicht, ob Ihr es wisst, aber Kêr Bagbeg, das Ihr wahrscheinlich Åndalsnes nennt, ist überrannt und gefallen. Schatten sind es, Schatten und Fomorer, die sich dort festgesetzt haben, und dies in großen Mengen. Ich vermute, dass es Rushai ist, ein mächtiger Schattenlord aus dem Süden, der sie anführt. Er hat bereits das Ratsgebiet von Dachaigh na Làmthuigh erobert und kontrolliert insgesamt wahrscheinlich mehr als dreißigtausend Krieger, viele von ihnen nach den Schlachten im Süden kampferprobt und erfahren. Er ist ein Schatten, Wolf, kein friedlicher Kelte wie die Bretonen, die den Germanenwald, den Grindillskogr, über Jahrzehnte hinweg einfach so hingenommen haben. Er wird kommen, vielleicht nicht heute, vielleicht auch nicht morgen, aber irgendwann wird er kommen, und mit ihm Hunderte, wenn nicht Tausende seiner Krieger! Und Ihr werdet ihn nicht aufhalten können. Er ist der Schwarze Baum, ein großer Feldherr, der einen Pakt mit den finsteren Mächten der Natur geschlossen hat, er kann Pflanzen verderben und zu unheiligem Leben erwecken!« Seog verschnaufte kurz. Etwas ruhiger fuhr er fort: »Und Ihr, Ihr wollt mich mit meinen Leuten nicht einlassen, möglicherweise die einzigen Menschen zwischen Romsdalsfjord und Storfjord, die bereit sind, den Kampf fortzuführen?« Er schüttelte demonstrativ den Kopf. »Ich kann, ich will nicht glauben, dass Ihr so dumm seid.«
Die Männer hinter ihm schnappten bei seinen Worten erschrocken nach Luft, doch Seog blieb hart. Gegen Menschen mitsolch herrischem Gehabe konnte man im Disput nur mit ebenso starkem Auftreten bestehen, das hatten ihm seine Eltern mehr als einmal erklärt. Er hoffte, dass es im Umgang mit Geistern nicht anders war. Mit zusammengepressten Lippen und gespannten Kiefern wartete er auf eine Antwort.
Es dauerte eine lange Zeit. Schweiß tropfte von seinem Helm herab und brannte in seinen Augen, seine Schultern schmerzten vom Gewicht des Kettenhemdes, das nun schon viel zu lange auf ihnen lastete, seine Muskeln zitterten vor Anspannung. Schweigend und unbeweglich wartete er auf das Urteil des Waldes, stoisch und unbeweglich wie ein Fels, so bildete er sich ein. Zumindest war es das, was der Geist in ihm sehen sollte.
Schließlich, nach einer halben Ewigkeit, kam die Antwort:
Folgt dem Pfad weiter. Das Urteil über dich und deine Leute ist vertagt.
Damit huschte der Wolf davon und verschwand hinter dem Felsen. Auch die anderen, die
echten
Wölfe hatten sich in den Wald zurückgezogen, doch Seog hatte den Verdacht, dass sie nicht weit weg waren. Die Gefahr war noch lange nicht vorbei.
Am Romsdalsfjord, Norwegen
Donnerstag, 04. November 1999
Die Innenwelt
Nachdem jeder Waldläufer auf Trollstigen seinen Posten zugewiesen bekommen hatte und darüber informiert war, was zu tun war, sobald die Armee der Nain die Treppe emporstieg, begann das Warten. Die Wächter warteten in der eisigen Kälte des Walls, auf den Türmen, hinter ihren Schießscharten oder an den Eingängen des improvisierten Gefängnisses im Stall. Die Freigänger warteten auf ihren Lagern und versuchten zu schlafen, sie warteten beim Würfel- oder Kartenspiel.
Die Druiden warteten im großen Wachraum des Glockenturms, mit Bierkrügen vor sich auf dem Tisch und einem Feuer im Kamin. Sie warteten auf Murdoch, der sich mit ein paar seiner Handlanger im Torturm verbarrikadiert hatte und die Gefangenen verhörte.
Mit den Druiden waren neben Baturix noch ein paar andere Hauptmänner hier versammelt: Scipio, der greise Helvetier, mit dem Baturix bereits auf Kundschaftermission gewesen war, hatte seinen Stuhl neben den Kamin gerückt und lehnte mit dem Kopf dagegen, die Augen geschlossen. Die beiden irischen Hauptmänner Pátraic und Breandán saßen neben der Tür zum Nordwall und versuchten mit einem Stück Draht einen Riss in Pátraics Kettenhemd zu flicken. Der Schotte Calder, das Spurenlesertalent, hatte die Dienstbotentätigkeit für die Druiden übernommen und wartete auf Befehle. Baturix hatte auf einer Bank neben Niall, dem irischen Anführer der Heiler, Platz gefunden und beobachtete nachdenklich, wie dieser ein paar Streifen Salzfleisch in sich hineinwürgte. Der Mann mit den grauen Schläfen hatte einengehetzten Gesichtsausdruck, nur zu gut konnte sich Baturix vorstellen, dass auf den Heiler noch viel Arbeit wartete, bis die Nain ihren Gegenangriff starten würden.
»Brauchst du dort unten noch Hilfe?«, erkundigte er sich.
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