Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Vielleicht würde etwas Arbeit in Nialls improvisiertem Lazarett das Warten erträglicher machen.
Der Ire schüttelte jedoch den Kopf. »Ich habe dort unten alle Hilfe, die ich brauche«, antwortete er mit vollem Mund zwischen zwei Bissen. »Noch mehr, und wir stehen uns nur gegenseitig im Wege herum.«
»Hmm.«
»Aber ich vermute, dass auch ihr nicht viel länger hier rumsitzen werdet. Der Schattenfeind wird schon eine Arbeit für euch finden.« Damit stand er auf, steckte sich eine Handvoll Salzfleisch in die Tasche seines Umhangs, griff nach seinem Bogen und ging zur Tür.
Die öffnete sich, gerade als der Heiler nach der Klinke greifen wollte. Der kalte Luftzug ließ Baturix frösteln, so dass er die Hände vor der Brust verschränkte und den Kopf zwischen die Schultern zog. Murdoch trat ein, Niall huschte an ihm vorbei nach draußen. Der Schotte schlüpfte aus den Handschuhen, zog sich die Mütze vom Kopf und ging zum Tisch der Druiden. Dort ließ er sich auf den leeren Stuhl sinken, den Derrien mit dem Fuß vom Tisch weggeschoben hatte. Calder stellte dienstbeflissen einen Krug heißen Wassers vor ihm ab und versorgte ihn aus einem bereitstehenden Fass mit einigen Streifen Salzfleisch.
»Wie sieht es aus?«, fragte Derrien.
Der Wolf versuchte gar nicht erst, mit seinem zahnlosen Mund von den Streifen abzubeißen. Stattdessen warf er sie in den Wasserkrug und rührte mit der Klinge seines Druidendolchs darin herum. »Sie haben einen
Haufen
Bastarde dort unten.«
»Wie groß ist dieser Haufen?«
»Zwanzig- oder dreißigtausend.«
Baturix verzog angewidert das Gesicht. »Zwanzig« war kein Wort für einen Mann ohne Zähne.
Der Schattenfeind nickte nachdenklich. »Das ist wirklich ein Haufen.«
»Genügend, um über Rauma und Lågen auszubrechen, wenn wir Trollstigen weiter halten können?«, fragte Ryan.
Derrien schüttelte den Kopf. »Ich habe Cintorix früh genug über meine Pläne informiert. Er hat mir versprochen, das Tal zu verteidigen, wenn es darauf ankommt. Abgesehen davon glaube ich nicht, dass es Rushai riskieren würde. Wenn er seine Streitmacht in das Tal bewegt, muss er damit rechnen, dass die Germanen vor Trondheim den Weg hinter ihm abriegeln. Ist er erst einmal vom Fjord abgeschnitten, verhungert er binnen Wochen.«
»Er
wird
hier angreifen.« Murdochs Miene war finster.
»Seine Truppen haben bis heute Nacht in Bagbeg gekämpft!«, warf Padern nach einem langen Blick auf die Karte ein. »Sie werden müde sein. Und es ist ein strammes Stück Marsch von der Stadt bis zur Treppe.«
»Nicht für Rushais Nachhut«, erwiderte Derrien. Die Lagerfeuer der Nachhut waren vom Nordwall aus deutlich zu erkennen. »Für sie ist der Weg nicht weit, und außerdem sind sie frisch und ausgeruht. Ich rechne jede Minute mit der Nachricht, dass sie kommen. Wir müssen uns vorbereiten.«
»Was sollen wir denn noch tun?«, fragte Orgetorix erstaunt. »Wir haben die Krieger neu gruppiert, wir haben Schlafrotationen, wir haben Körbe voller Pfeile auf den Türmen und Wällen!«
»Es gibt noch eine Aufgabe, die wir erledigen müssen«, meinte Derrien und sah sich mit grimmiger Miene im Raum um. »Wir müssen die Toten verbrennen.«
Baturix sah überrascht auf. Das war so naheliegend, dass er es längst hätte sehen müssen, doch die knochentiefe Müdigkeit hatte ihn nicht nur körperlich, sondern auch geistig ermattet. Er hätte die Leichen bis nach der bevorstehenden Schlacht liegen gelassen und sich nicht länger darum geschert.
Aber spätestens seit der Schlacht von Espeland wussten sie alle, dass der Feind in der Lage war, die Toten zu unheiligem Leben zu erwecken. Und so wenig Baturix Lust dazu hatte, in die Kältehinauszugehen und die über die ganze Festung verstreuten Toten einzusammeln, um sie auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen, es gab keine Alternative dazu.
Leichen verbrennen.
Er schnitt eine Grimasse und schüttelte den Kopf. Mit einem Seufzer erhob er sich und erklärte laut: »Packen wir’s an.«
Doch als er die Tür öffnete und nach draußen auf den Wall trat, hasste er diese Aufgabe noch immer.
Derrien starrte nach draußen in die langsam heller werdende Nacht und versuchte, den Bratengeruch zu ignorieren, der hinter ihm aus der Festung emporstieg. Es war nicht einfach, wenn man seit Tagen nichts anderes gegessen hatte als salzige Marschrationen und einem das Wasser im Munde zusammenlief. Er konnte sich noch nicht einmal einreden, dass Menschenfleisch grässlich
Weitere Kostenlose Bücher