Schattenfreundin
setzte er ihren Gedankengang fort.
Charlotte nickte. »Ganz genau. Wenn die Eltern krank sind und sich deshalb nicht immer um ihr Kind kümmern können, dann kann so einer sehr leicht das Vertrauen der Eltern und des Kindes gewinnen«, erklärte sie. »Und wenn das Kind krank ist, funktioniert das genauso. Ein krankes Kind hat wenig Kontakt zu Gleichaltrigen und ist froh über die ungewohnte Aufmerksamkeit, die ihm von dem Fremden entgegengebracht wird. Solche Kinder sind natürlich eine leichte Beute.«
Käfer schüttelte den Kopf. »Das mag alles sein. Aber in diesem Fall ist es eher unwahrscheinlich. So was funktioniert doch viel besser in anderen Ländern, zum Beispiel im ehemaligen Ostblock. Es ist furchtbar, aber es ist viel einfacher, dorthin zu fahren und sich ein Kind zu beschaffen, als hier über Wochen und Monate Nähe und Vertrauen zu einer Familie aufzubauen, um dann mit dem Jungen zu verschwinden. Nein, ich glaube, das können wir vernachlässigen.«
»Du willst Kinderhandel ausschließen?«
»Nicht grundsätzlich. Aber es scheint mir nicht das Nächstliegende zu sein. Sprich doch mal mit Marc Lohmann von der Sitte. Ich werde jetzt als Erstes die Frauen abklappern. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es mit einem starken persönlichen Motiv zu tun haben.« Er stand auf. »Bis später.«
Charlotte machte den Mund auf, als wollte sie etwas sagen.
»Ist noch was?«, fragte Käfer.
»Ich weiß auch nicht. Ich hab die ganze Zeit dieses blöde Gefühl, dass ich irgendwas übersehen habe.«
»Ruf mich an, wenn es dir eingefallen ist«, sagte er und verließ das Büro. Er hatte den Aufzug noch nicht erreicht, als sein Handy klingelte.
»Jetzt weiß ich, was ich übersehen habe!«, sagte Charlotte am anderen Ende der Leitung, und Käfer hörte überrascht zu, was sie ihm in knappen Worten erzählte.
Marc Lohmann sah blass aus. Wie immer, fand Charlotte. Kein Wunder, dachte sie, in seinem Job musste er oft nachts arbeiten, da war an erholsamen Schlaf nicht zu denken.
Er hatte einen großen Becher Kaffee in der Hand und starrte auf seinen Bildschirm. Die stundenlangen Internetrecherchen, die ihre Kollegen notgedrungen machen mussten, fand Charlotte am schlimmsten. Das Internet war überfüllt von widerlichen Fotos und Filmen, die kontrolliert und nach minderjährigen Gewaltopfern abgesucht werden mussten. Charlotte wusste, wie belastend die Bilder für ihre Kollegen waren.
»Hi, setz dich doch«, sagte Lohmann, ohne seinen Blick vom Bildschirm zu lösen. »Willst du einen Kaffee?«
Er zeigte auf eine beigefarbene Thermoskanne, die hinter ihm im Regal stand. Eingetrocknete Kaffeeflecken ließen darauf schließen, dass sie lange nicht gespült worden war.
»Danke, ich hatte schon genug«, sagte Charlotte.
»Bin gleich so weit.«
Lohmann klickte ein paar Mal mit der Maus und tippte irgendetwas ein. Dann schaute er zufrieden auf.
»So, der Scheiß ist erst mal gesperrt. Damit können diese Leute kein Geld mehr verdienen«, sagte er.
»Was war das?«
»Das willst du gar nicht wissen.« Er griff nach einer Akte. »Der DNA-Abgleich von deiner Zahnbürste ist da. Leider kein Treffer. In unserer Datei ist sie nicht.«
»Danke. War einen Versuch wert.« Charlotte nahm die Akte an sich. »Darf ich dich was fragen?«
Lohmann nickte.
»Für wie wahrscheinlich hältst du ein Sexualdelikt im Zusammenhang mit Kinderhandel?«
»Bei allem, was ich bisher über den Fall weiß, halte ich das für relativ unwahrscheinlich. In Kambodscha oder in Thailand sähe das schon anders aus.« Er seufzte. »Wir haben letzte Woche eine Seite gesperrt, auf der man detailliert seine Wünsche anklicken konnte. Haarfarbe, Augenfarbe, Alter, Körperbau. Die Interessenten können sich ihre Opfer bestellen wie im Katalog. Es gibt sogar Seiten, die sind ähnlich aufgebaut wie bei eBay . Neben einem Foto von einem Kind können die Leute dann ein Gebot abgeben.«
»Mein Gott!« Charlotte schüttelte entsetzt den Kopf. »Die Kinder werden entführt und versteigert?«
Lohmann nickte. »So was gibt es. Aber wir hatten noch keinen einzigen Fall mit deutschen Kindern«, fügte er hinzu. »Der Kinderhandel läuft genau umgekehrt. Kinder aus Ländern der Dritten Welt werden zu uns gebracht, aber Kinder von hier werden in der Regel nicht verkauft. Das ist viel zu riskant.«
Charlotte überlegte. »Was müsste ich denn tun, wenn ich gezielt einen dreijährigen hellblonden Jungen haben möchte?«, fragte sie.
Lohmann erklärte ihr, wie
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