Schattenfreundin
Thomas sie erblickte, kam er ihr entgegen.
»Was ist mit Leo? Gibt es endlich Neuigkeiten?«, fragte sie sofort.
Thomas schüttelte den Kopf. »Hallo, Katrin«, sagte er leise und machte einen Schritt auf sie zu. Ungeduldig wich Katrin zurück.
»Ich bin gekommen, weil ich mich bei dir entschuldigen möchte.«
»Vergiss es«, zischte sie.
»Nicht nur für die Sache, du weißt schon«, sagte Thomas. »Ich möchte mich auch dafür entschuldigen, dass ich dich in letzter Zeit so viel allein gelassen habe. Dass ich dir so viel aufgebürdet habe. Das Haus einzurichten, dann der neue Job, und Leo musste in den Kindergarten … Vielleicht ist das der Grund für alles. Wenn ich öfter da gewesen wäre, wäre es dieser Tanja bestimmt nicht gelungen, sich dein Vertrauen zu erschleichen.«
Katrin starrte zu Boden. Wieder kamen Schuldgefühle in ihr hoch. Wie hatte sie nur auf diese Tanja reinfallen können?
Einen Moment lang herrschte Stille. Dann räusperte sich ihre Mutter. »Ich lasse euch dann mal allein.«
»Nicht nötig, Mama«, sagte Katrin und blickte auf. »Es ist alles gesagt.«
»Schatz, ihr solltet euch aussprechen«, entgegnete ihre Mutter. »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine Ehekrise. Ihr müsst jetzt zusammenhalten und an Leo denken.«
»Ich denke an nichts anderes«, sagte Katrin spitz. Sie legte die Hand auf die Stirn und hielt sich am Treppengeländer fest.
»Was ist los?«, fragte Thomas. »Hast du wieder Migräne? Bei Leo hattest du doch auch so oft damit zu kämpfen.«
Ihre Mutter schnappte hörbar nach Luft. »Sag jetzt nicht, du bist schwanger!«
Katrin nickte langsam, wodurch ihre Kopfschmerzen nur noch schlimmer wurden.
Ihre Mutter kam zu ihr und strich ihr vorsichtig über den Arm. »Mein Gott, Kind! Und dann willst du die Entschuldigung von Thomas nicht annehmen? Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Erst wird Leo entführt, und dann bist du auch noch schwanger … So viel kann doch kein Mensch allein ertragen! Ihr müsst jetzt zusammenhalten!«
Katrin seufzte. »Könntest du bitte nachschauen, ob du Paracetamol hast?«
Ihre Mutter nickte und verschwand.
Schweigend ging Katrin ins Wohnzimmer und setzte sich aufs Sofa.
Thomas folgte ihr, setzte sich neben sie und nahm ihre Hand.
»Ich liebe dich, Katrin. Genauso wie am ersten Tag. Daran hat sich nichts geändert. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe, und du hast recht, wenn du sauer auf mich bist. Aber ich bin hier, um dich aufrichtig um Verzeihung zu bitten.«
Katrin spürte, dass er es ehrlich meinte. Dennoch sagte sie kein Wort.
»Ich möchte dir etwas vorschlagen«, sagte Thomas. »Komm nach Hause, lass uns das zusammen durchstehen. Wenn Leo wieder bei uns ist, machen wir einen neuen Anfang. Wenn du willst, können wir auch eine Paartherapie machen oder eine Trennung auf Probe, egal, aber … bitte komm wieder nach Hause.«
Katrin sah Thomas an und versuchte, in sich hineinzuhören. Was fühlte sie überhaupt? Fühlte sie noch etwas anderes als Angst um Leo? Sie konnte jetzt nicht nachdenken, der übermächtige Kopfschmerz blockierte jeden vernünftigen Gedanken. Sie wünschte sich nichts anderes, als wieder in ihr dunkles Kinderzimmer zurückzugehen, sich hinzulegen und zu schlafen.
In diesem Augenblick kam ihre Mutter zurück. »Ich habe nur Ibuprofen.«
»Dann nehme ich das«, sagte Katrin.
»Das darfst du nicht, glaube ich.«
»Glaubst du oder weißt du?«, fragte Katrin gereizt.
»Dein Vater war der Fachmann«, sagte ihre Mutter ruhig. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du außer Paracetamol wirklich nichts nehmen darfst.«
»Ich halte diese Kopfschmerzen aber nicht mehr aus!« Katrin war den Tränen nahe. Kurzerhand nahm sie ihr Smartphone, das auf dem Couchtisch lag, und wählte sich ins Internet ein.
»Ibuprofen in der Schwangerschaft«, murmelte sie vor sich hin und tippte auf der winzigen Tastatur herum. Dann seufzte sie laut. »Darf ich nicht nehmen.«
Sie wollte ihr Smartphone schon zur Seite legen, als sie bemerkte, dass sie eine Mail bekommen hatte. Stirnrunzelnd öffnete sie den Posteingang.
»Willst du dich nicht lieber wieder hinlegen?«, fragte Thomas.
Katrin schüttelte langsam den Kopf.
»Was ist los?«, fragte Thomas und beugte sich vor, um auf das Display zu sehen.
Katrin antwortete nicht.
Auch ihre Mutter wurde nervös. Zitternd setzte sie sich auf einen Stuhl. »Kind, nun sag doch schon! Was ist passiert?«
Nur langsam konnte Katrin den Blick vom Display
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