Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
Stille.
Karolinas Gesicht erschien vor seinen Augen. Er sah ihr Lachen und das blonde Haar, das sich über ihre nackten Schultern ergoss. Würde er sie jemals wieder sehen?
Er schloss die Augen und verlor die Besinnung.
44.
Der Morgen dämmerte, als Karolina und Malvina sich in die Katakomben begaben, um nach Dominik zu suchen. Dichte, graue Unwetterwolken türmten sich am Himmel auf und schienen den Weltuntergang zu prophezeien. Doch die beiden Frauen tauchten in das Netz der unterirdischen Gänge Prags und schenkten dem Himmel nur wenig Augenmerk.
Stundenlang irrten sie durch die dunklen, feuchten Gänge, vorbei an Unrat und Rattennestern, ohne einen Hinweis zu finden. Die Verzweiflung in Karolina wuchs, während ihre Hoffnung schwand.
„In weniger als drei Stunden bricht die Dunkelheit herein. Dann ist es zu spät.“
Karolina setzte sich seufzend auf einen Mauerstumpf und stützte den Kopf in die Hände.
„Bis dahin werden wir nicht aufgeben.“ Malvina legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter.
„Das Leben einer Dcera ist von Blut getränkt und mit dem Geruch des Todes behaftet. Ich bin es leid, den Sensenmann für Vampire zu spielen.“
„Ich verstehe dich. Doch noch einmal musst du es tun, um Dominiks Willen, und für uns. Wie viele würde es das Leben kosten, wenn du Jiri nicht vernichtest? Die gesamte Bevölkerung Prags könnte ausgerottet werden. Und was folgt nach dieser Stadt? Die Welt?“
„Du hast recht. Ich frage mich nur, wie Carlotta dieses Leben auf Dauer ertragen konnte. Nur die Liebe zu Dominik gibt mir Kraft durchzuhalten. Was soll nur werden, wenn wir ihn nicht rechtzeitig finden?“
„Vielleicht haben wir nur nicht an der richtigen Stelle gesucht. Carlotta hat uns mal berichtet, dass Teile der Katakomben eingestürzt sind. Und wenn es verschüttete Gänge und Hallen gibt, von denen wir nichts ahnen?“
Nachdenklich starrte Karolina vor sich hin. Dann sprang sie plötzlich auf.
„Die Katakomben führen unter dem gesamten alten Markt entlang, richtig?“
„Richtig.“ Malvina sah jetzt fragend Karolina an.
„Und weshalb enden sie dann weit vor dem Stadtpalais des Grafen?“
„Wir sollten die Mauern an dieser Stelle nach Hohlräumen abklopfen“, schlug Malvina eifrig vor.
„Los, lass es uns versuchen.“
Die Idee beflügelte die beiden Frauen, die erneut die Wege durch die feuchten Gänge zurücklegten, die sie schon unzählige Male vorher ergebnislos beschritten hatten.
Zentimeter für Zentimeter begannen sie, mit den Fäusten die steinernen Wände abzuklopfen, in der Hoffnung, eine Entdeckung zu machen. Doch die Klopfgeräusche blieben dumpf, sodass sich dahinter kein Hohlraum verbergen konnte. Sie gaben schließlich auf.
„Bist du dir sicher, dass das die richtige Stelle ist, Malvina?“
Die Rothaarige nickte. Jegliche Hoffnung erstarb in Karolina.
Schweigend standen sich die beiden Gefährtinnen gegenüber. Jede hing ihren eigenen trüben Gedanken nach.
„Moment mal“, sagte Malvina. „Das Palais ist doch mit zwei Flügeln ausgestattet ...“
„Die Kapelle des heiligen Michael!“, riefen beide gleichzeitig aus.
„Der zweite Gebäudeflügel muss hinter der Kapelle liegen.“
„Nicht auszudenken, wenn dies zuträfe, und wir die ganze Zeit über direkt neben den Schlafplätzen der Vampire gebetet haben!“ Malvina rollte mit den Augen.
Keuchend rannten sie den Weg zurück, bis zu der Gewölbehalle, die kurz vor der Kapelle lag.
Ihre Blicke suchten nach einem verräterischen Hinweis.
„Dort rechts muss sich der Flügel des Palais befinden.“ Malvina deutete mit dem Zeigefinger auf die Wand, die sich direkt neben der Kapelle befand und deren Farbe sich von den übrigen der Katakomben unterschied. Sie bestand zur Hälfte aus rohem Felsgestein, an das sich eine Mauer aus gebrannten Ziegeln anschloss. Erst jetzt erkannte Karolina an den verschwommenen Konturen, dass der gemauerte Teil einst ein Durchgang gewesen sein könnte. Niemandem war es bislang aufgefallen.
„Sieh, Malvina, das ist wahrscheinlich mal ein Durchgang gewesen.“ Malvinas Blick folgte Karolinas ausgestrecktem Arm.
„Und wie gelangen wir da hinein?“
„Wir müssen die Wand aufklopfen.“
„Womit?“
„In der Kapelle befinden sich doch Eisenkandelaber. Lass uns einen holen.“
Staub rieselte ihnen entgegen und reizte sie zum Husten. Es war eine mühsame Plackerei gewesen, mit dem Kandelaber ein Loch in die Mauer zu schlagen, aber sie hatten es geschafft. Es war so
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