Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
gegenüber.
„Nicht nur, dass du dich als Dame deines Standes unschicklich benommen hast, nein, du wirfst dich in die Arme dieses zwielichtigen Kerls wie eine Hure!“
Zornesrot baute er sich vor ihr auf. Grob umfasste er ihre Arme, die buschigen Augenbrauen waren drohend zusammengezogen. „Wie konntest du mich nur wieder so enttäuschen, Karolina! Deine Eskapaden waren immer skandalös, doch dieses Mal bist du zu weit gegangen! Du wirst dein Zimmer nicht mehr verlassen. Ich untersage dir jeden Briefwechsel mit diesem Ruchlosen, und wage ja nicht, mich zu betrügen. Du wirst über deine Begegnung mit dem Fürsten Stillschweigen bewahren. Hast du mich verstanden?“
Karolina zitterte vor Aufregung; so wütend hatte sie ihren Vater noch nie erlebt. Aber was hatte sie denn erwartet? Sie wusste selbst, dass sie die Etikette ignoriert hatte, um Dominik nahe zu sein. Diese verdammten gesellschaftlichen Regeln, die sie in ein Korsett pressten und ihr die Luft zum Atmen nahmen.
„Wenn jemand davon erfährt, dass du den Schwarzen Fürsten aufgesucht hast, wird man uns wie Aussätzige behandeln. An keiner Gesellschaft werden wir künftig teilnehmen. Graf Jiri wird uns keine Einladung mehr senden.“
„Auf die wir gut verzichten können. Vater, bitte, ich bin kein Kind mehr, sondern eine erwachsene Frau. Ich allein bin für mein Handeln verantwortlich. Und ich weiß, was ich tue. Du kannst mich nicht zwingen, in dieses Kloster zu gehen.“
„Und ob ich das kann!“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Die Entschlossenheit in seinem Blick bekräftigte er mit einem Nicken.
„Niemals wirst du mich dorthin schicken, eher will ich in der Gosse landen!“
Karolina schäumte vor Wut.
„Jendrik!“ Der Baron rief seinen Kammerdiener zu Hilfe. Nur einen Moment später trat der grobschlächtige Hüne Jendrik ein.
„Pane baroni.“ Er verneigte sich ungelenk.
„Jendrik, bring die Baroness nach oben in ihr Zimmer und schließe sie ein. Sie darf bis zur Abreise nicht mehr heraus. Dass du mir dafür garantierst!“
Jendrik nickte und ging auf Karolina zu, die zurückwich. Nie hätte sie geglaubt, dass der Vater sein Vorhaben sofort in die Tat umsetzen würde. Der letzte Hoffnungsschimmer, ihn umzustimmen, schwand. „Das wirst du noch bereuen.“
Jendrik nahm Karolina am Arm und zog sie mit sich. Sie wehrte sich, aber es war ihr unmöglich, sich dem starken Griff des Hünen zu entwinden.
Der Schlüssel drehte sich im Schloss, während Karolina sich aufs Bett fallen ließ.
Verzweiflung ergriff Besitz von ihr. Sie war zu weit gegangen und würde Dominik nicht wiedersehen. Dieses Mal böte sich ihr bestimmt nicht die Möglichkeit zu einer Flucht - zu energisch hatte ihr Vater der gesamten Dienerschaft die Order erteilt, sie ständig zu beobachten, und ihnen mit Schlägen gedroht, wenn sie ihre Aufgabe verfehlten. Selbst Elena durfte nicht zu ihr kommen. Die matronenhafte Lenka würde ihr das Essen bringen und ihr beim Bade helfen. Bei dem Gedanken an diese griesgrämige, verknitterte Frau schüttelte sie sich.
Eine Träne quoll unter dem Lid hervor und rann ihre Wange hinab. Das alles hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Doch die Liebe zu Dominik war zu stark und bestimmte so ihr Handeln.
Dominik! Würde er kommen, um sich Karolinas Vater zu erklären und um ihre Hand anzuhalten?
Als sie an den Abschied dachte, wie er mit verschlossener Miene ihre Hand beiseitegeschoben hatte, zweifelte sie daran.
Der Strudel des Schicksals riss sie hilflos mit sich; aus dessen Sog gab es kein Entrinnen.
Waren die Nächte nur eine Lüge gewesen? Die quälenden Gedanken raubten ihr den Schlaf. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen.
Dominik wollte sie vergessen, sonst wäre er bestimmt gekommen. Diese Erkenntnis erschütterte sie, raubte ihr den Lebenswillen. Immer wieder sah sie seine eisblauen Augen vor sich.
Schließlich verweigerte sie das Essen, lag nur noch im Bett und starrte an die Decke. Das Tablett vom Morgen stand noch immer unberührt auf dem Tisch. Alle Versuche Lenkas, sie zum Essen zu überreden, scheiterten.
In zwei Tagen würde sie zum Kloster reisen. Bis dahin hoffte sie, vom Hunger so geschwächt zu sein, dass ihr Vater die Abreise erneut verschob. Karolina spürte, wie die Kraft ihrem Körper entwich; sie dachte an Obst, das langsam verdorrte. Mit geschlossenen Augen dämmerte sie dem neuen Tag entgegen. Ihr einziger Freund in den vergangenen Tagen war der schwarze Wolf gewesen, der in der Dunkelheit vor
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