Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
Mädchens Karolinas ganze Aufmerksamkeit. Während sie einen Arm bandagierte, grübelte sie über die Begegnung mit dem Wolf nach.
Die Worte über ihn ließen Karolina nicht los. Wenn es sich wirklich um einen verwandelten Vampir handelte, weshalb hatte er ihr dann nichts getan?
„Was geschieht eigentlich mit dem armen Ding, wenn es sich verwandelt, Carlotta?“ Adela strich mit einer liebevollen Geste das rote Haar aus dem Gesicht des Mädchens.
„Dann müssen wir sie pfählen.“
Karolinas Magen stülpte sich um, sie begann zu würgen.
Auch Adela erblasste und hielt die Luft an.
„Aber, das ... ist unmenschlich!“
„Wir können sie nicht einfach so laufen lassen, Adela. Sie wird Jiri folgen und ebenso anfangen zu töten wie die anderen. Vielleicht wäre eine von uns das nächste Opfer. Das dürfen wir nicht zulassen.“ Carlottas Worte duldeten keinen Widerspruch.
„Carlotta hat recht. Sie wäre sehr gefährlich. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Lasst uns lieber unsere Arbeit hier beenden und dann abwarten.“
Malvina reichte Eliska und Karolina weitere Binden über den Tisch.
Als das Mädchen friedlich schlummernd im weißen Bett lag, sah Karolina nachdenklich auf sie herab. Sie fühlte bei dem Anblick Wut und Ohnmacht.
Nicht nur Erwachsene, auch unschuldige Kinder wurden wie Vieh ausgesaugt und missbraucht. Dem musste tatsächlich ein Ende gesetzt werden. Doch sie war nicht die Richtige, wie die Tante behauptete. Noch nie hatte sie eine Kreatur getötet, nicht mal eine Fliege erschlagen. Das würde sich auch jetzt nicht ändern.
Trotzdem spürte sie den aufkeimenden Zorn in sich, brennend, nach Rache verlangend, wenn sie auf das geschundene Wesen hinabblickte. Zum ersten Mal konnte sie Carlotta verstehen.
Das Mädchen stöhnte auf, ihre Lippen formten unverständliche Worte.
„Hast du Durst?“ Karolina erhielt ein Nicken.
Sie goss den mit Carlottas Kräutersud vermischten Tee in eine Tasse, fasste das zitternde Geschöpf unter den Oberkörper und zog sie hoch, um ihr von dem bitteren Gebräu einzuflößen.
Von dem Geruch angewidert, schüttelte das Kind den Kopf.
„Du musst davon trinken, wenn du wieder zu Kräften kommen willst.“
Karolina setzte ihr die Tasse an den Mund und benetzte die Lippen.
„Nur der erste Schluck schmeckt bitter; beim zweiten wirst du es nicht mehr merken.“
Das Mädchen zögerte, doch dann trank es gierig von der gelben Flüssigkeit.
Erschöpft sank sie zurück in die Kissen.
Als Karolina die Tasse zurückstellte, drückte ihr die Kleine dankbar die Hand.
In ihren rehbraunen Augen lag noch immer Furcht.
„Wie heißt du, Kleine?“ Karolina streichelte sanft ihre Wange.
„Hana“, hauchte sie. „Der Wolf hat mich gerettet. Die haben mir Gewalt angetan. Hatte schreckliche Angst.“ Eine Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel und rollte die Wange hinab.
„Jetzt bist du sicher. Ein Wolf hat dich gerettet?“
„Ein schwarzer Wolf mit blauen Augen.“
„Was sagst du da?“ Karolina erstarrte.
„Er hat mich hierher gebracht.“
„Wölfe tragen keine Mädchen durch die Nacht, um sie vor einem Haus abzulegen.“
„Dieser Wolf schon.“ Dann schloss das Mädchen die Augen und schlief ein.
Es musste das gleiche Tier sein, das ihr damals im Wald begegnet war. Tiere besaßen zwar eine gewisse Intelligenz, doch dies überstieg alles, was sie bislang erlebt hatte.
Das war kein Tier, meldete sich eine innere Stimme.
„Warst du noch mal bei dem Kind?“, fragte Adela, als Karolina das Zimmer betrat.
„Ja.“
„Jetzt weißt du, wie grausam diese Kreaturen sind. Ich habe durch Carlotta viel über sie erfahren. Sie sind gnadenlos. Ich hoffe nur, dass es Malvina gelingt, diese schwarze Bestie zu töten.“
Verwundert sah Karolina zu ihrer sanftmütigen Freundin und erschrak über die harte Entschlossenheit in ihrer Miene, die selbst im Kerzenlicht nicht schmeichelnd wirkte.
„Adela, du sprichst von einer Kreatur aus Gottes Schöpfung!“
„Nein, nicht Gottes, sondern Satans Werk. Wer wird der Nächste sein? Vielleicht ich? Oder Carlotta? Würdest du dann nicht versuchen, unseren Tod zu rächen?“
Karolina schwieg. „Vielleicht. Ich weiß es nicht ...“, antwortete sie.
„Und was ist mit dem Mörder deiner Mutter? Empfindest du für ihn ebenso viel Mitleid?“
„Nein. Aber was könnte ich schon gegen ihn ausrichten?“ Karolina seufzte.
„Folge Carlotta. Sie wird dich lehren, gegen Vampire zu kämpfen.“
„Ich weiß nicht
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