Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
auf den Lippen.
„Stellt euch vor, ich habe tatsächlich einen Schlafplatz auf dem Friedhof gefunden. Bestimmt sind da oben noch mehr.“
Sofort prasselten Fragen auf Malvina ein, nur Karolina verfolgte schweigend die erregte Diskussion.
„Übermorgen werden wir hinaufsteigen und uns alles ansehen. Doch erst muss Karolina ihre Waffen erhalten.“ Carlottas Vorschlag traf auf allgemeine Zustimmung.
„Ich brauche keine Waffen.“ Karolina war vom Stuhl aufgesprungen und funkelte Carlotta empört an.
„Du hast mich hierher geholt, Tante, weil ich dachte, du wolltest mich in deiner Nähe wissen, aus Zuneigung zu mir und zu meiner Mutter. Doch stattdessen verlangst du von mir, Vampire zu vernichten. Du hast mich enttäuscht.“
„Hast du das Schicksal deiner Mutter bereits vergessen?“ Auch Carlotta sprang auf und erwiderte den Blick.
„Nein, ich habe es nicht vergessen. Glaubt mir, auch ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass Boskovic seine gerechte Strafe erhält. Doch Hass und Rache führen ins Verderben. Ich kann nicht mitmachen.“
„Der Ruf deines Schicksals ist stärker, Karolina. Nimm es an.“
In diesem Moment sah Karolina die blauen Augen des Wolfs und spürte Mitleid.
Auch er war ein Geschöpf der Finsternis, das spürte sie. Dennoch umgab ihn eine Anziehungskraft, die sie nicht erklären konnte.
„Niemals!“ Karolina stürmte aus dem Zimmer. Die anderen sahen ihr betroffen hinterher.
Karolina stand in der offenen Haustür und sah in die Dunkelheit hinaus. Der wolkenverhangene Himmel verdeckte den Mond. Kalte Luft streichelte ihre Wangen. Sie sog die würzige Luft ein, die den Geruch von Tannennadeln und feuchter Erde mit sich trug.
Sie fühlte sich in Carlottas Haus nicht mehr wohl, zwiespältige Gefühle beherrschten sie. Sie passte nicht in die Rolle, die ihr zugedacht wurde. Man hatte ihr von der Vergebung der Sünden gepredigt, und dass man seine Feinde lieben sollte. Und das fünfte Gebot war ein wichtiger Grundsatz in ihrem Leben. Wie konnte eine gottesfürchtige Frau wie Carlotta das nur vergessen? Und doch forderte auch in ihr eine immer stärker werdende Stimme Vergeltung. Vergeltung für den Tod der Mutter und alle anderen Opfer der Vampire.
Ihre Augen suchten im Dunkeln vergeblich nach dem schwarzen Wolf.
Sie gehörte nicht hierher, sie gehörte nirgendwohin, außer zu ...
Dominik. Noch immer verzehrte sie sich nach ihm.
„Bald werden wir uns wiedersehen“, hatte er zu ihr gesagt, und ihre Ahnung, er könnte es nicht ernst gemeint haben, bestätigte sich auf kummervolle Weise.
„Karolina, was treibst du hier?“ Die Stimme Carlottas ließ sie herumfahren.
„Ich brauchte frische Luft.“
„Es ist gefährlich ...“
„Aber ich stehe doch im Haus.“ Zitternd verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Ich fühle mich hier wie eine Gefangene“, sagte sie leise.
„Es betrübt mich, das aus deinem Mund zu hören. Ich meine es nur gut mit dir und versuche im Sinne deiner Mutter zu handeln.“ Carlotta legte ihre Hand auf Karolinas Schulter.
„Meine Mutter hätte nie gewollt, dass ich töte.“
„Deine Mutter hat getötet! Wann wirst du die Wahrheit endlich akzeptieren?“
Karolina schwieg.
„Das ist nicht allein der Grund, weshalb du dich deinem Ruf verweigerst. Etwas anderes bedrückt dich.“
Carlottas Hand auf ihrer Schulter tat gut, Wärme durchflutete sie. Sie wünschte sich in diesem Moment, den Kopf an Dominiks Schulter legen zu können. Carlotta beugte sich vor und flüsterte Karolina ins Ohr.
„Du bist unglücklich verliebt, nicht wahr?“
„Wie kommst du darauf?“
„Da ist etwas in deinem Blick.“
Karolina schluchzte trocken auf und schlug die Hände vors Gesicht.
„Ja, ich liebe jemanden, und ich dachte, er täte es auch.“
„Was ist geschehen?“
„Er versprach mir ein baldiges Wiedersehen, hielt es aber nicht ein. Ich liebe ihn, wie ich noch nie jemanden geliebt habe.“
Karolina drehte sich zu Carlotta um und barg das Gesicht an ihrer Schulter.
Die Tante strich ihr beruhigend über den Rücken.
„Vielleicht liebt er dich auch und braucht Zeit. Wer ist er?“
Carlotta hob Karolinas Kinn an. Da war es wieder, das warme Leuchten in den Augen der Tante, das sie in der letzten Zeit so vermisst hatte. Jetzt wollte sie sich ihr anvertrauen, brauchte jemanden, dem sie ihr Herz ausschütten konnte.
„Es ist Dominik, Fürst Karolyí.“
Bestürzung lag in Carlottas Miene. Sie wich einen Schritt zurück und starrte Karolina
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