Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
konzentriertes Nachdenken. »Das Licht macht uns angreifbar, aber uns stehen noch andere, subtilere Mittel zur Verfügung. Ich möchte jedoch über keine unserer Möglichkeiten sprechen, bis wir dieses Gebäude wohlbehalten verlassen haben.«
Balthasar erhob sich steif. »Euer Gnaden«, sagte er, »heißt das, dass die Lichtgeborenen immer noch darauf beharren, dass es sich um eine Angelegenheit zwischen Lichtgeborenen und Nachtgeborenen handle und sie die Rolle, die die Schattengeborenen gespielt haben, nicht anerkennen?«
Sejanus zögerte kurz – ob nun wegen Balthasars unbedeutendem Stand oder seiner Beteiligung an dem Geschehen – , dann sagte er: »Das ist richtig, Dr. Hearne. Für die Lichtgeborenen war der Angriff auf den Turm ausschließlich eine Tat der Nachtgeborenen. Sie haben nicht einmal zur Kenntnis genommen, was vor ihrem Eintreffen hier vorgefallen ist.«
Aber selbst Magier aus den Blutlinien hätten Phineas’ und Olivedes Anstrengungen spüren müssen, genau wie die Verletzten und Todesfälle auf der Seite der Nachtgeborenen. Wie viel von dieser Verleugnung war also aufrichtig und wie viel politisch motiviert? In erster Linie diente der Magiertempel seinen eigenen Interessen, und es läge nicht in seinem Interesse zuzugeben, derart angreifbar zu sein. Magier, die vertraglich an die verschiedenen Mitglieder des lichtgeborenen Adels gebunden waren, würden ihr Abkommen buchstabengetreu erfüllen – mehr aber auch nicht. Doch was war mit der Prinzessin selbst? Sie stammte von keiner Blutlinie ab, sondern von einer Familie, in der es nie Magier gegeben hatte, soweit man wusste. War ihre Magie wie die eines Wildschlags?
Langsam sagte Balthasar: »Meine Verhexung macht mich immun gegen das Tageslicht. Solange sie intakt ist«, und er hoffte, die Andeutung war deutlich genug, dass dies von Sebastiens Leben abhing, »könnte ich an die Höfe der Lichtgeborenen gehen und sowohl als Gesandter als auch als lebender Beweis für die Existenz von Schattengeborenen dienen. Soweit ich weiß, sind nicht einmal die Hohen Meister in der Lage, dieses Meisterstück zu wiederholen, das es einem Nachtgeborenen gestattet, im Licht zu überleben, oder einem Lichtgeborenen in der Dunkelheit. Wenn sie nicht spüren können, dass ich verhext worden bin, ich aber dennoch lebendig vor ihnen stehe, müssen sie sich fragen, warum.«
»Bal…«, begann Olivede und verstummte auf eine Geste des Erzherzogs hin.
»Sofern die Magier Sie nicht einfach ermorden, um die Gültigkeit ihrer Weltanschauung wiederherzustellen«, warf Plantageter ein.
»Ich glaube, ich bin faszinierend genug und biete hinreichend Möglichkeiten, mich zu Studienzwecken dazubehalten.«
»Warum sollten Sie dieses Risiko eingehen?«
Weil ich hoffe, dass die Lichtgeborenen den Jungen verschonen werden, sagte er zu seiner Verhexung. »Euer Gnaden«, richtete Balthasar das Wort an den Erzherzog, »ich habe, wie auch mein Vater vor mir, mehrere Amtszeiten im Interkalaren Rat gedient. Ich weiß um die Beziehung zwischen den Licht- und Nachtgeborenen, und sie bedeutet mir viel. Ich habe eine familiäre Bindung zu den Schattengeborenen und bin ihr Opfer – ohne meine Frau und Ishmael di Studier wäre ich schon zweimal gestorben. Die Schattengeborenen haben eine Serie von Ereignissen in Gang gesetzt, durch die ich meine Ehefrau verloren habe. Ganz gleich, was mit mir geschieht, ich will nicht, dass meine Töchter – und auch nicht dieses verdorbene Kind meines Bruders – unter schattengeborener Herrschaft leben müssen. Ich habe sie durch ihre Taten kennengelernt. Ich kann diese Aufgabe erledigen. Und ich bin der Einzige , der dafür geeignet ist.«
»Wie viel davon entspringt Ihrem eigenen Willen und wie viel seinem?«
»Er hat mir nie zu verstehen gegeben, ich sollte mich auf die andere Seite des Sonnenaufgangs begeben, aber solange ich überzeugt bin, in seinem Interesse zu handeln, bin ich Herr über meine eigenen Taten. Wie ich bereits bewiesen habe, denke ich.«
»Und wie könnte es in seinem Interesse sein, wenn Sie den Sonnenaufgang überqueren?«
Balthasar schluckte, er hatte nicht gewollt, dass man ihm diese Frage stellte, und erst recht wollte er sie nicht wahrheitsgemäß beantworten. »Weil ich glaube, das Gesetz der Lichtgeborenen wird seine Verbrechen milder ahnden als das der Nachtgeborenen und dass die Tempelmagier die Macht haben, ihn richtig auszubilden und zu erziehen – eine Möglichkeit, die wir nicht haben.«
Es entstand eine
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