Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
Doch der Junge richtete seine Magie nicht gegen Neill, sondern gegen den Strudel instabiler Macht, der so weit von ihnen entfernt war.
Tam hatte schon einmal eine derart instabile Magie kennengelernt. Er hatte den Mann geliebt, dem sie gehörte, aber er hatte immer gewusst, dass er niemals Lukfers Freund hätte sein können, wenn er nicht selbst ein Magier von erheblichem Potenzial gewesen wäre. Hätte Lukfer jemals die Kontrolle über seine Magie gewonnen, wäre er ein Magier achten Ranges gewesen. Tam hatte keine Ahnung, wie hoch der Tempel Ishmael di Studier einstufen würde.
Ihm blieb noch genug Zeit, um die Katastrophe zu erkennen, eine Hand nach Neill auszustrecken, Luft zu holen und eine nutzlose Warnung auszusprechen, bevor Ishmael di Studiers ungewollte Vergeltung sie erreichte. Seine ungeformte Macht nahm die Gestalt von Sebastiens Magie an, die er ihm entgegengeschleudert hatte. Neill warf seine eigene Macht zwischen sie und Sebastien. Tam spürte, wie er die Lebenskraft der Kreaturen um sie herum erntete. Maifliege stürmte an Tam vorbei und deutet eine Bedrohung an, die er nicht sehen konnte. Neill packte das borstige Fell, als er auf die Knie glitt. »Verschwinden Sie«, keuchte er Tam zu.
Aber es war bereits zu spät. Di Studiers tobende Magie hatte auch ihn eingehüllt.
Balthasar
»Es ist vorbei«, hauchte Perrin.
Balthasar, der an Floria lehnte, drehte den Kopf, um einen Ultraschallruf in die Richtung zu schicken, aus der die Stimme kam. Der Strudel von Magie um ihn herum brachte ihn noch immer aus dem Gleichgewicht. Perrin hatte zu ihrem Bruder gesprochen. Der junge lichtgeborene Prinz hockte auf dem Podest neben Jovance und stützte sich mit einer Hand auf dem Boden ab, während er mit der anderen in schmerzhafter Selbstbeherrschung sein Knie umklammerte. Jovance saß reaktionslos im Schneidersitz da, auf ihrem Gesicht spiegelte sich angestrengte und gequälte Konzentration wider. Obwohl er sich offenkundig um sie sorgte, blickte Fejelis zu dem Kreis hochrangiger Magier in der Mitte des Raums hinüber. Wie Jovance hockten sie auf dem Boden, im Gegensatz zu ihr jedoch von einem schützenden Kreis mittelrangiger Magier und Leibgardisten umringt, die vertraglich an den Tempel gebunden waren und jede Bedrohung von den Erdgeborenen um sie herum zurückhielten.
Der Prinz fragte leise: »Was ist vorüber? Kannst du mir sagen, was passiert ist?«
Perrin wandte ihr Gesicht kurz den Hohen Meistern zu, erhielt von dort aber keine Hilfe. »Da waren zwei mächtige – sehr, sehr mächtige – Magier. Schattengeborene«, berichtete sie mit einem trotzigen Unterton. Fejelis nickte ungeduldig. »Außerdem war dort ein dritter Magier, ein Nachtgeborener und beinahe ebenso mächtig wie die anderen beiden, aber mit instabiler Macht. Die beiden Schattengeborenen haben gegeneinander gekämpft. Und der dritte, der Nachtgeborene, hat sie aneinandergefesselt, bis sie starben. Die Nachtgeborenen und die Hohen Meister haben ihm dabei geholfen.«
»War der Nachtgeborene Magister Broome?«, fragte Fejelis stirnrunzelnd.
»Nein. Ein Mann namens Ishmael di Studier.«
»Ishmael?«, stieß Balthasar unwillkürlich hervor.
»Sie kennen diesen Mann?«, fragte Fejelis und drehte sich schnell zu ihm um.
»Ich habe ihn in meinem Bericht an die Richterschaft erwähnt.« Den zu lesen Fejelis vermutlich keine Zeit gehabt hatte. Wie lauteten die wesentlichen Punkte? »Er ist – oder war, ich werde es später erklären – Baron Strumheller aus den Grenzlanden.«
»Ich hörte, er sei bei dem Rückzug zum Bahnknoten Stranhorne verschollen. Man hat mir zwar erzählt, er sei ein Magier, aber nicht, dass er hochrangig ist.« In seiner Stimme schwangen Anspannung und Argwohn mit.
»Das ist er auch nicht. Er ist ein Magier ersten Ranges. Nachdem er verletzt wurde, konnte er selbst das wenige an Magie, das er besaß, nicht mehr benutzen. Irgendetwas muss ihm zugestoßen sein. Er wurde bei den Broomes ausgebildet und folgt ihren Leitsätzen.«
Jovance hob den Kopf. »Wir müssen ihn mit einem Bann belegen«, sagte sie mit einer seltsam hohlen, monotonen Stimme, die ihnen verriet, dass der Erzmagier und die Hohen Meister durch sie sprachen. Fejelis spannte die Schultern an. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und schaute auf sie herab. »Warum?«
»Seine Magie ist nicht stabil. Er ist eine Gefahr für uns alle.« Jovances Stimme nahm wieder den normalen Alt einer jungen Frau an. »Fejelis«, fügte sie drängend hinzu,
Weitere Kostenlose Bücher