Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
Vom Netzwerk:
darüber nachgedacht hatte. Er stieß sich von der Wand ab. Er wollte eine weitere Runde gehen, um zu beruhigen, wo es nötig war, und um ein letztes Gefühl für jeden zu gewinnen, der eine Waffe hielt oder lud. Vielleicht war es sinnlos, denn zum gegenwärtigen Zeitpunkt konnte er nicht erkennen, ob jemand seinetwegen nervös war oder wegen dessen, was sich dort draußen in der Nacht bewegen mochte. Er glaubte zwar gelegentlich, flüchtig eine schattengeborene Präsenz oder Magie zu spüren, aber dieses Gefühl war so schwach, dass er beinahe glaubte, es sei nur eine Ausgeburt seines beschädigten Magiersinnes. Aber gewiss … gewiss musste er doch die Macht von einem schattengeborenen Gestaltwandler oder Wetterwirker spüren, wenn er unmittelbar vor einem stand.
    Auf die Frage, was er dann tun würde, wusste er jedoch keine Antwort.
    Er ging davon, und die Wachen machten Anstalten, ihm zu folgen. »Lassen Sie ihn gehen«, sagte Mycene, laut genug, dass Ishmael es hören konnte. »Auf dieser Seite des Sonnenaufgangs gibt es keinen Ort für ihn, an dem er sich verstecken könnte – noch für irgendjemanden, der ihm hilft.« Ishmael bestätigte diese Einschätzung, wenn nicht sogar die Tatsache, mit einem Nicken über seine Schulter und setzte seinen Weg die Galerie entlang fort. Hinter sich hörte er Mycene sagen: »Und wo im Namen des Einzigen Gottes ist di Banneret?«
    Ein Murmeln erklang, dann schnaubte Mycene. »Ich habe ihm doch gesagt, er soll die Wurst nicht essen.«
    Ishmael erübrigte einen Moment des Mitgefühls für den Pechvogel di Banneret, der neben dem Aufruhr in seinen Eingeweiden den Spott der Kameraden würde ertragen müssen. Er ging von Bank zu Bank und achtete darauf, sich nicht lautlos zu bewegen, damit die Scharfschützen mit ihren angespannten Nerven vorgewarnt waren, dass er sich näherte. Wo sie gerade von Fehlern gesprochen hatten, aus denen man lernte – er war bereits mehr als einmal beinahe von einem seiner eigenen Leute angeschossen worden, bevor er begriffen hatte, sich nicht lautlos von hinten anzuschleichen.
    Seine Schützen wirkten sicher und gelassen. Mycenes Männer ebenfalls, obwohl die meisten ihm misstrauisch und einige sogar feindselig begegneten. Einer der Letzteren war ein Mann aus den Grenzlanden – dem Akzent nach zu urteilen, kam er aus der Gegend von Odons Grabhügel – und zählte zu jenen, die mühelos mit einem Gewehr umgehen konnten. Vielleicht würde er später noch mehr davon sehen.
    Boris fing ihn zwischen zwei Räumen ab. »Vater braucht dich«, sagte der Junge atemlos. Er beugte sich näher zu ihm vor. »Wo sind die Wachen?«
    »Mycene hat sie abgezogen.«
    »Er braucht dich im Keller«, flüsterte Boris. »Nimm die Osttreppe.«
    »Würdest du die Runde für mich beenden? Sorg dafür, dass alle etwas zu essen und zu trinken haben und es vorzugsweise auch bei sich behalten. Das gilt auch für dich«, fügte er hinzu, als Boris schluckte. »Es ist keine gute Idee, mit leerem Magen zu kämpfen, dadurch wird man nur zittriger. Deine Schwestern hätten dir das sagen sollen.«
    »Schon, aber«, platzte er heraus, »ich bin kein Kämpfer.«
    »Das ist dein Vater auch nicht, aber auch Denker werden gebraucht.« Er tätschelte dem jungen Mann den Arm, klug genug, nicht weiter in ihn zu dringen. Als Ishmael die ersten Male gegen die Schattengeborenen ausgezogen war, hatte er vor Angst nicht essen können. Nachdem man ihn verstoßen und in die Welt hinausgeschickt hatte, war er sogar noch weniger ein Kämpfer gewesen als Boris. Kein Dorf und keine Stadtwache wollte ihn haben, also blieb ihm nur, entweder Schattenjäger oder Bandit zu werden. »Geh und sieh nach deinen Leuten!«
    »Ishmael«, sagte der junge Mann verzweifelt, »die Schattengeborenen sind weniger als fünf Kilometer entfernt. Was soll ich antworten, wenn mich jemand fragt?«
    »Sag ihnen die Wahrheit. Moral ist eine Sache, Vertrauen eine andere. Was du tust und sagst, hat Einfluss auf ihr Vertrauen in deine Familie. Also sag die Wahrheit. Das gilt ganz besonders, wenn du etwas über ein Mitglied ihrer Familien gehört hast. Wechsle jemanden aus, der seine Waffen mit zittriger Hand nachlädt, und lass sie ohne Tadel gehen.« Er hielt inne. »Du wirst deine Sache gut machen. Du hast gute Anlagen und verlässliche Leute um dich herum. Sie wissen, was zu tun ist. Deine Aufgabe besteht überwiegend darin, Ruhe auszustrahlen.«
    Die Osttreppe, hatte Boris gesagt. Das bedeutete, er musste sich zügig durch den

Weitere Kostenlose Bücher