Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
gesamten südlichen Flur und die fünf Stockwerke in den Keller hinunterbewegen, ohne den Anschein von Eile zu erwecken. Aber da die meisten die Treppen im Westen und in der Mitte benutzten, würde er vermutlich nur ein oder zwei Personen begegnen.
Einzig der südöstliche Teil dieser Mauer barg eine Deckung für Scharfschützen. Der Nordosten war durch eine Verteidigungsmauer mit eingelassenem Wachturm geschützt. Diesen besetzten nicht nur ein paar Männer, sondern ein ganzer Trupp, der keine Möglichkeit zum Rückzug hatte.
Einer von Stranhornes Männern öffnete auf Ishmaels Klopfen hin die Tür und führte ihn durch die Keller, wo der Baron und eine Gruppe von Männern um eine Pyramide aus Munitionskisten herumstanden. Stranhorne trat schnell von der Pyramide weg und machte Anstalten, Ishmaels Sonar zu blocken – doch er schaffte es nicht, und Ishmael erkannte die Sprengzünder an einer der Kisten.
Stranhorne packte ihn am Arm und drehte ihn zu einer Mauer um. »Darf ich Sie bitten, mir zu erzählen«, sagte er mit leiser Stimme, »worum ich Sie als Erstes gebeten habe?«
Er überprüft meine Identität, dachte Ishmael. Stranhorne, Laurel oder beide hatten vorausgedacht. »Sie baten mich, niemals in Ihren Hallen über meine unnatürlichen Praktiken zu sprechen oder sie anzuwenden.«
Mit offensichtlicher Erleichterung ließ Stranhorne Ishmaels Arm los und wartete. Abgesehen von der feuchten Kälte des Kellers spürte Ishmael nichts Abscheuliches oder Kühles in seiner Nähe. Er schüttelte leicht den Kopf. Stranhorne deutete die Geste richtig und erklärte: »Wir müssen darüber nachdenken, was geschieht, falls sich die Schattengeborenen gewaltsam Zutritt verschaffen.«
»Das tun sie doch bereits«, bemerkte er.
Stranhorne lächelte grimmig. »Sagen Sie mir, wie stark ein Magier sein muss, um zu überleben, wenn so viele Tonnen Stein auf ihn stürzen?«
Für einen Augenblick fühlte sich Ishmael wie mit siebzehn, von Übelkeit geplagt und zu Tode verängstigt, als er seinem ersten Kampf gegenüberstand. »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Wenn der Magier überrascht würde … «
Der Schattengeborene, dem er gemeinsam mit Prinzessin Telmaine entgegengetreten war, hatte einen ganzen Haushalt verhext und so viel Stärke besessen, dass Telmaine ihn nicht länger als eine Minute hatte halten können. Doch die Zeit hatte Ishmael gereicht, um drei Kugeln auf ihn abzufeuern. Der Schattengeborene war nicht stark genug gewesen, um das zu überleben.
»Darauf zielen wir ab«, fuhr Stranhorne fort. »Meine Ingenieure sagen, die Chancen stünden gut, dass wir das Erdgeschoss und das erste Stockwerk in den Keller einstürzen lassen können.«
Es gibt einen Grund, dachte Ishmael, warum Intellektuelle normale Arbeiter nervös machen. »Und werden wir auch lebend wieder herauskommen?«
»Es ist kein Selbstmordplan«, erwiderte der Baron, obwohl in seiner Stimme ein Unterton lag, der andeutete, diesen Plan in die Tat umzusetzen, auch wenn das seinen Tod bedeutete.
»Das Schwierige ist«, fuhr der Baron fort, »wir müssen sicher sein, dass sie im Falle eines Eindringens durch das Osttor kommen, wenn der Plan wirklich funktionieren soll. Und ich weiß nicht, ob sie Löcher in die Mauern sprengen können. Aber sollten sie das Nordtor wählen, müssen wir durch das Osttor abziehen, was uns hinter ihre Linien bringt. Oder durch den zugemauerten Eingang im Westen ausbrechen. Ich lasse gerade einige Ingenieure die Sprengung vorbereiten.«
»Haben Sie jemals Fürst Vladimer über Pläne sprechen hören, die von einer feindliche Kooperation abhängen?«
»Nein«, entgegnete Stranhorne. »Andererseits ist es auch nicht meine Gewohnheit, derartige Pläne zu schmieden.«
Wäre da nicht die Gefahr, in der sie alle schwebten, hätte sich Ishmael Vladimirs Anwesenheit gewünscht. Wenn jemand wusste, wie man einen Feind zur Kooperation bewegen konnte …
»Durch welchen Ausgang wir das Herrenhaus auch verlassen, das Gebäude könnte umzingelt sein. Vielleicht werden wir uns unseren Weg ins Freie erkämpfen müssen. Mycene hat mich vor den Schwierigkeiten eines ungeplanten Rückzugs gewarnt.«
Stranhorne legte den Kopf in den Nacken und peilte die massiven Gewölbepfeiler aus Stein über ihren Köpfen. »Ich habe die historischen Berichte über den Bürgerkrieg und die Kriege im vierten und fünften Jahrhundert gelesen. Ich wusste, es war eine Sache, gemütlich in meinem Sessel zu sitzen, und eine andere, einen Krieg
Weitere Kostenlose Bücher