Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
entgegenbringen, der auf einem schaukelnden Schiff sowohl seine Waffen als auch seinen Magen meisterte. Aber er hatte keine Ahnung, wie nah der Feind sein mochte, und würde es nicht riskieren, jegliches Überraschungsmoment zu verlieren, das sie haben mochten.
»Wir sollen also nach Gehör schießen«, sagte Mycene leise. Er kniete auf einer Scharfschützenbank in der südlichen Galerie im fünften und damit obersten Stockwerk des Herrenhauses. Ishmael lehnte rechts neben ihm an der Wand. Er hatte die Hälfte von Mycenes Männern in dieser Galerie und die andere Hälfte in der nächsten positioniert, wo sie sich mit erfahrenen Reservisten aus Stranhorne abwechselten. »Haben Sie schon mal diese Art von Kämpfen ausgetragen?«
»Die Schattengeborenen haben schon früher gelegentlich versucht, das Herrenhaus zu erreichen, aber nicht mit einer derart großen Streitkraft.«
»Wenn wir Zeit gehabt hätten, uns vorzubereiten, hätte ich Salvenfeuer vorgeschlagen. Bei Gewehren mit dieser Reichweite«, mit einer leichten, besitzergreifenden Geste tätschelte Mycene den Lauf, »hätten wir sie angreifen können, sobald wir wussten, dass sie in der Nähe waren. Es sieht nicht so aus, als ob Sie mit Munition knausern müssten.«
War diese Bemerkung so harmlos gemeint, wie es schien?, fragte sich Ishmael und erinnerte sich an die Munitionsvorräte in den verschlossenen Kellern. In all der Aufregung war es ihnen nicht gelungen, die falschen Leute von Mycene fernzuhalten. Zu einem früheren Zeitpunkt wäre ein koordinierter Beschuss eine verflucht exzellente Idee gewesen. Sie waren zu sehr daran gewöhnt, in kleinen Gruppen und im Freien gegen einen willkürlich angreifenden Feind zu kämpfen.
Er peilte den Mann, der ihn gefangen hielt und entspannt auf der Scharfschützenbank kniete, seine Waffe in Griffnähe auf dem Mauervorsprung. Ishmael hatte seine Haltung nicht korrigieren und ihn auch nicht beruhigen müssen; offensichtlich war er einer jener Männer, die vor einer Schlacht gelassen blieben.
»Wie groß ist diese Streitmacht?«, fragte Mycene, dessen Stimme eher dünn klang.
»Das wissen wir nicht, wir können es nur daran schätzen, wie viele Leute sie überwältigt haben. Steinbrücken hatte siebentausend Einwohner, davon ein Fünftel im Umgang mit Waffen ausgebildet.« Falls Mycene nicht bereits eine Vorstellung von der Größe von Stranhornes Reserve hatte, würde er sie vor dem Ende der Nacht kennen. »Und wir reden von einem fähigen Trupp.«
»Und über welche Verteidigungsanlagen verfügte Steinbrücken?«
»Nur über das Gelände. Es ist auf einem Hügel erbaut. Dieses Herrenhaus wurde nur deshalb mit einer Verteidigungsmauer umgeben und für eine Verteidigung gegen eine Streitmacht gerüstet, weil Strumheller während des Bürgerkriegs bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurde.« Von einer Armee, die, wie sich Ishmael erinnerte, von einem aus der Familie Mycene angeführt worden war.
Mycene drehte den Kopf und peilte ihn zum ersten Mal. »Glauben Sie, wir können dieses Herrenhaus halten?«
»Das kommt darauf an«, antwortete Ishmael, überrascht von seiner Neigung, auch nur so viel von der Wahrheit preiszugeben.
Mycene richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Nacht. »Und natürlich ist es eine Frage der Magie. Mein Vater ist darauf fixiert, aber ich habe nie verstanden, warum. Magie erschien mir immer unmännlich.«
»An der Macht, die man benötigt, um es im Spätsommer schneien zu lassen, ist nichts Unmännliches«, knurrte Ishmael.
»Nein. Es hat äußerst wirksam dafür gesorgt, dass wir ihr Herannahen erst spät entdeckt haben. Haben Sie einmal darüber nachgedacht, wie ein Rückzug von hier aussehen würde?«
»Ja«, erwiderte Ishmael, »schlecht.«
Ein freudloses Lächeln umspielte Mycenes Lippen. »Es wird noch schlechter aussehen, wenn es keine Pläne dafür gäbe, das kann ich Ihnen sagen.«
Bei seinem ersten Feldzug gegen eine Rebellion auf dem Terrain seiner Familie an der Südküste hatte Mycene eine schwere Niederlage erlitten. Er war jung gewesen – zweiundzwanzig – und viel zu selbstbewusst. Sein Vater hatte Begnadigungen gewähren und ärgerliche Zugeständnisse machen müssen, um seinen Sohn freizubekommen. Mycene hatte sich nie wieder überrumpeln lassen.
Ishmael sagte: »Sie haben recht, es geht doch nichts über eigene Fehler, um daraus zu lernen. Ich werde mit Stranhorne darüber sprechen.« Es hätte ihn überrascht, wenn nicht einer der Stranhornes bereits
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