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Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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weiter in die entgegengesetzte Richtung gehen, in die es ihn zog, und durfte nicht daran denken, wie töricht angesichts der Stärke des Rufes seine Entscheidung war, sich von den anderen zu trennen. Wenn er auch nur für einen Moment in seiner Konzentration nachließ, konnte es gut sein, dass er plötzlich nach Südwesten ging.
    Ihm blieb die Wahl, der Mauer des Herrenhauses zu folgen oder direkt über das mit Lärminstrumenten gesicherte Vorfeld zu gehen. Er entschied sich für Letzteres. Die Mauer würde zwar eine Zuflucht bieten, gleichzeitig aber auch seine Rückzugsmöglichkeiten einschränken. Er fragte sich, ob er diese Entscheidung noch bereuen würde. Die trockenen Stöcke waren durchweicht, aber er musste sich immer noch über rutschende Steine, knirschenden Kies und Baumfallen bewegen, tief genug, um sich ein Bein zu brechen oder um sich selbst aufzuspießen, falls er danebentrat. Der stürmische und wechselhafte Wind wirbelte den Rauch und die brennende Asche auf. Als sich der Rauch verzog, konnte er den Geruch gewaltsamen Todes und beginnender Fäulnis wahrnehmen. Vorsichtig trat er um die bröckelnden Ränder einer Grube, in der sich mehrere Wölfe befanden. Einer kämpfte schwach gegen die Pfähle, die ihn durchbohrt hatten, und ein zweiter nagte am Kadaver eines seiner toten Gefährten. Einige Meter weiter stieß Ishmael auf die ersten Schattengeborenen, die dem Feuer im Herrenhaus zum Opfer gefallen waren, und auf weitere Wölfe, den ersten Skaffern – seiner Gestalt nach noch ein Jungtier – und auf einen der fliegenden Schattengeborenen, der sich im Tod das Rückgrat gebrochen hatte. Wer mag das wohl früher gewesen sein? Manche Gedanken verdrängte man besser. Der Wind drehte. Ishmael schirmte sein Gesicht gegen die Asche ab und versuchte, nicht zu husten, bis der Wind es aufgab, mit ihm zu spielen. Jetzt war es nicht mehr weit. Er bewegte sich vorwärts, spitzte die Ohren und lauschte durch das gedämpfte Knistern des Feuers und das Knacken erhitzter Steine auf das Geräusch von Stimmen, selbst auf das Geräusch von Wehklagen. Zu seiner Rechten heulte ein Wolf seinen Schmerz heraus, und mehrere andere antworteten. Der Lärm der Marschkolonne auf dem Weg zum Bahnknoten war nicht mehr zu hören, und das Gefühl, dass ihm kein Mensch mehr antworten würde, sollte er ebenfalls den Kopf in den Nacken werfen und in die Leere heulen.
    Er wusste nicht, wann genau er die Hoffnung aufgegeben hatte, aber sie war erloschen, als er die Südwestecke erreichte. Er hätte nicht einmal sagen können, wo der zugemauerte Eingang gewesen war, ohne direkt zu der Mauer hinüberzugehen und die übereinandergefügten Steine zu untersuchen. Da war keine Bresche in der Mauer, keine Stelle, durch die Xavier Stranhorne, Erich und die Menschen in ihrer Begleitung hätten entkommen können.
    Er zwang sich weiterzugehen. Ihm blieben nur noch weniger als zwei Stunden bis zum Sonnenaufgang, und er wagte es nicht, in der Nähe des Herrenhauses zu verweilen. Selbst wenn es dort nichts Gefährlicheres als die Toten gab, hatten der Schnee und die Schlacht möglicherweise die wilden Tiere vertrieben oder zum Schweigen gebracht, die ihm für gewöhnlich den Sonnenaufgang ankündigten. Und es wäre für ihn nicht sicher gewesen, jetzt draußen zu schlafen, da der Ruf an ihm nagte. Es wäre eine Ironie des Schicksals, wenn die Sonne ihn nach all den Jahren erwischen würde.
    Die Jahre des Vagabundentums und der Schattenjagd retteten ihn. Sein Denken mochte von Erschöpfung und Verlust abgestumpft sein, aber sein Instinkt war es nicht. Er hörte etwas – einen Atemzug, ein gedämpftes Knurren, das Brechen eines nassen Stockes – oder vielleicht roch er auch etwas. So widerlich dieser Schweiß oder Atem auch sein mochte, er bedeutete, dass dieses Etwas lebte. Sein Sonar fing an seiner äußersten Reichweite Schemen auf, die an der Südmauer des Herrenhauses entlang und auf dem schmalen Streifen zwischen der Mauer und der ersten Schicht Kies in seine Richtung trieben.
    Das Adrenalin fegte seine Erschöpfung fort. Er schoss vier Mal auf das Heulen, dann drehte er sich um und rannte am Fuß der Mauer entlang. Hier fand er keine Deckung und keine günstige Position. Wenn sie in großer Zahl über ihn herfielen, brauchte er die Tore und die Tortürme als Deckung, um eine bessere Sicht und eine Chance zum Nachladen zu haben. Außer seinen keuchenden Anstrengungen und seinem scharfen Atem vernahm er keine Bewegung hinter sich, und da er

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