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Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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zerrte ihn näher an sich heran, um ihm ins Ohr zu rufen: »Die Baronesse will Sie sprechen! Vorne in der großen Kutsche.« Der Unbekannte streckte die Hand aus, obwohl Ishmael keine Ahnung hatte, wie er in diesem chaotischen Rückzug überhaupt wusste, wohin er zeigen musste. Eigentlich sollte sich Ishmael in der Vorhut befinden, aber diese befand ein ganzes Stück vor ihm und wurde von Mycene angeführt. Wenn je ein Mann von seinem Charakter her ungeeignet für die Nachhut war, dann Mycene. Nach den krächzenden Rufen auf seiner rechten Seite zu urteilen, zog Lavender Stranhorne’sche Soldaten zusammen, um die Nachhut zu bewachen. Kluge Frau, aber mit diesem Hals würde sie sich die nächste Woche von heißer Zitrone und Honig ernähren. Also war Lavender bei ihnen, und auch Laurel. »Wo ist der Baron?«, rief er. »Und Boris?«
    »Von dem Baron weiß ich nichts. Der Baronet ist übel zugerichtet worden. Er sitzt in der Kutsche.«
    Ishmael drückte sich den pulsierenden Arm an die Brust, um ihn vor weiteren Verletzungen zu schützen, und kämpfte sich durch den Mob nach vorn. Er war nicht in die Planung des Rückzugs eingeweiht gewesen, aber er begriff das Wesentliche: In der Vorhut, Nachhut und an der Flanke befanden sich Fußsoldaten oder Kavalleristen, direkt hinter der Vorhut kamen die Gefährte mit Rädern, die von Pferden, Maultieren, Ochsen und Gruppen aneinandergeschirrter Männer gezogen wurden – angefangen von Stranhornes persönlicher Prachtkutsche bis hin zum Wagen eines Kohlefuhrmanns –, und dahinter folgte ein langer Zug von Fußgängern. Zusammen mit den Flüchtlingen aus dem Westen, dem Personal des Herrenhauses und den Reservisten mussten sie dreizehnhundert Menschen zum sieben Kilometer entfernten Bahnknoten bringen. Und sie hatten dafür nur zwei Stunden Zeit, dachte er und streckte die Hand aus, um eine junge Frau zu stützen, die ein kreischendes, zappelndes Kind von drei oder vier Jahren hinter sich herzog. In diesem Gedränge konnte ein Kind von dieser Größe aus Versehen niedergetrampelt werden.
    Als die Frau die Stärke seines Griffes spürte, sagte sie flehentlich über ihre Schulter: »Nehmen Sie ihn, bitte, Herr. Ich kann ihn nicht gleichzeitig tragen und dieses Tempo halten.« Er registrierte, dass keine Frau, sondern ein Mädchen von zwölf oder dreizehn Jahren vor ihm lief, das für sein Alter groß, aber schlank war. Sie war also keine Mutter, sondern nur eine Schwester, Cousine, Amme oder einfach jemand, der ein paar Arme frei gehabt hatte. Er nahm die Last entgegen. »Ich muss an den Wagen vorbei nach vorn gehen. Ich werde einen Platz für ihn finden.« Er hievte sich das Kind über die Schulter, um seinen Ohren das Geheul und seinem verletzten Arm die kleinen Fäuste zu ersparen, und ging, so schnell er konnte, weiter. Das Geschrei schien dabei zu helfen, damit die Menschen ihm den Weg frei machten.
    Er reichte das atemlose, aber immer noch tapfer protestierende Kind zu einem überdachten Karren hinauf, wo es sich zu einer Gruppe kleiner Jungen und Mädchen sowie ihren gehetzten Aufpasserinnen gesellte. Wegen des Geholpers hatten sich mehrere von ihnen übergeben, und zweifellos würden die Übrigen ihrem Beispiel folgen. Er überprüfte noch schnell, ob die Plane über ihren Köpfen stabil war. Sie würde genügen. Sie würde genügen müssen.
    Er fand Laurel mit einem Gewehr über den Knien vorn neben einem ihrer Kutscher sitzen. Vier Mitglieder der Stranhorne’schen Truppe hielten auf dem Dach der Kutsche Wache. Er schwang sich auf das Trittbrett neben ihr, den Kopf auf Höhe ihrer Taille. Sie beugte sich vor, und sie drückten sich gegenseitig für einen langen Augenblick gegenseitig den Arm. Über ihrem losen Kleid und den kräftigen Reitstiefeln trug sie eine zu große, schwere Lederjacke, jemand – wahrscheinlich nicht sie selbst – hatte ihr ein dickes Kissen hinter den Rücken geschoben. Das Haar hatte sie sich unter ihrem Helm zu einem Zopf geflochten. Das Gesicht wirkte gefasst, sogar hart. Ihr Einfluss machte sich in der ruhigen Sicherheit der Menschen um sie herum bemerkbar. Er hatte immer gewusst, dass sie Mut und einen kühlen Kopf besaß, aber dies war mehr, als er jemals von ihr oder ihrer Schwester erwartet hätte.
    Sie griff neben und hinter sich und holte ein Holster, zwei Pistolen, einen Beutel mit Munition und einen Stab hervor – alles seine Sachen, begriff er, während er das Holster in die Hand nahm.
    »Lavender ist bei der Nachhut. Was ist mit

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