Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Körper. Er konnte sich keine unwahrscheinlichere Kombination vorstellen. Kopfschüttelnd sagte er schließlich: »Es ist schön, daß du wieder da bist – irgendwie.«
»Irgendwie gut oder irgendwie schlecht?« konterte Seregil und brachte trotz des Bartes ein entfernt vertrautes schiefes Lächeln zustande.
»Irgendwie beides«, entgegnete Alec.
»Irgendwie danke ich dir, danke ich euch allen für eure gute Arbeit gestern abend, und für eure Hilfe«, sagte Seregil und reichte ihnen die Hände. »In der Zelle wurde es allmählich ziemlich ungemütlich. Und zu viert sollten wir imstande sein, die Dinge bald wieder in den Griff zu bekommen.«
Eine bleierne Müdigkeit senkte sich auf Seregil herab, als er die Treppe wieder hinunterstieg. Er ließ sich dankbar auf Theros schmales, sauberes Bett sinken und besaß nicht mehr die Kraft, seine Stiefel auszuziehen.
Es ist die Magie, dachte er, während der Schlaf ihn übermannte. Die verdammte Magie macht mir immer so viel zu schaffen.
Trotz seiner Erschöpfung war es keine friedliche Nacht. Ruhelos warf er sich hin und her und kämpfte sich durch eine ganze Reihe unruhiger Träume. Zuerst waren es nur zusammenhanglose Splitter aus den vergangenen paar Tagen – ein verzerrtes Ereignis hier, wiederholte Fetzen verschiedener Unterhaltungen, bedeutungslose Gesichter, die immer und immer wieder vor seinem geistigen Auge erschienen. Nach und nach jedoch verbanden sich die Bilder.
Er befand sich noch immer in Theros Körper und ritt auf einem Pferd durch die Stadt. Es war dunkel, und er hatte sich verirrt. Die Straßenschilder waren verschwunden, und die Laternen auf ihren Masten brannten nicht. Frustriert und ein wenig verängstigt drängte das Tier zu einem leichten Galopp.
Sein Pferd besaß keinen Kopf. Die Zügel verliefen über einen weichen, glänzenden Höcker und verschwanden irgendwo unter der Brust des Tiers.
Ich kann es eh nicht aufhalten, dachte er, ließ die Zügel gehen und klammerte sich an den Sattelknauf.
Fleckig vom Schweiß jagte die Kreatur Stunde um Stunde dahin, durch eine unbekannte Straße nach der anderen, bis eine Eule unter ihren Füßen aufflatterte. Verschreckt stieg das Pferd auf die Hinterhand und warf ihn ab, dann verschwand es in der umgebenden Dunkelheit.
Seregil blickte auf und fand sich vor dem Roten Turm wieder.
Genug! Ich will augenblicklich in meinen eigenen Körper zurück! dachte er wütend, während er vom Boden bis in Höhe des Gefängnisdaches emporschwebte.
Es war ein wunderbares Gefühl zu fliegen. Seregil umkreiste mehrere Male den Turm und genoß es. Die Schiffe im Hafen brannten allesamt, und das beunruhigte ihn ganz gewaltig. Wie eine Schwalbe schoß er herab und flog durch eines der kleinen Fenster im Gefängnisdach.
Auch hier war alles dunkel. Seregil stolperte durch die Schwärze und erspähte ein Stück voraus einen Lichtschein. Das Licht fiel durch das Gitter einer Zellentür. Die Tür war verriegelt, doch bei seiner Berührung verwandelte sie sich in einen Schwarm roter Schmetterlinge. Seregil schob sich durch die lebende Wand und trat in eine grelle Helligkeit. Er hob den Arm, um die Augen zu schützen.
Mitten in der Zelle stand sein eigener Körper, nackt bis auf eine Masse winziger, spinnenförmiger Flammen, die ihn vom Hals an abwärts einhüllten.
Sie dürften gar nicht mehr dort sein! dachte er alarmiert und schreckte bei dem Anblick zurück.
Sein Körper hob eine Hand zur Brust und sagte mit Theros Stimme: »Sie kommen von hier, weiß du?«
»Ich werde sie aufhalten.«
Indem er sich vorsichtig näherte, schlug er auf die Flammenwesen ein, die Thero umhüllten. Sie fielen bei seiner Berührung ab, und ein helles blaues Auge wurde in einem blutigen Loch in der Brust unmittelbar über dem Brustbein sichtbar. Seregil fuhr zurück und beobachtete mit zunehmendem Entsetzen, wie die Haut rings um das Auge zuckte und sich zu dehnen begann. Die Flammenkreaturen verschrumpelten und fielen von seinem Körper ab, und er konnte die zuckenden Bewegungen unter der Haut seiner Brust und seines Leibes erkennen, als würde sich irgend etwas Bösartiges den Weg von drinnen nach draußen bahnen.
Blutige Tränen entströmten dem unnatürlichen Auge, doch das Gesicht – jetzt Theros Gesicht – grinste gelassen. Noch immer lächelnd sprang Thero ihn an, mit ausgestreckten Armen, wie um ihn zu umschlingen. Mit einem erstickten Schrei stolperte Seregil rückwärts durch die Mauer aus roten Schmetterlingen …
Nach
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