Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
standen, perfektes Theater zu spielen.
»Ist er wieder einmal auf Geheiß des hübschen Aurënfaie unterwegs?« seufzte sie und wandte sich mit konspirativem Schmollmund zu ihm um.
»Nicht im Augenblick.« Seregil vollführte eine glaubwürdige Kopie von Theros üblicher verächtlicher Geste, wenn Seregils Name erwähnt wurde. »Er ist zu Mosrin í Argavan gegangen. Sie haben etwas wegen der Bibliothek zu besprechen.«
»Und er hat Euch hier allein zurückgelassen, damit Ihr die ganze Arbeit erledigt, wie? Wie einsam Ihr Euch fühlen müßt! Genau wie ich, wie sich herausstellt.« Ylinestra kam näher, und Seregil wurde unvermittelt des leichten, würzigen Dufts gewahr, den sie aufgelegt hatte. Mit dieser Wahrnehmung entstand schlagartig ein mentales Bild des Parfums, das unsichtbar aus der warmen Spalte zwischen ihren Brüsten aufstieg. Das alarmierte ihn. Es waren überhaupt nicht seine üblichen Gedanken in derartigen Situationen, und sie schmeckten nach magischen Machenschaften.
»Ich bekomme Nysander kaum noch zu Gesicht«, schmollte sie, nur noch wenige Zoll von ihm entfernt. »Sagt ihm, daß ich mich anderswo nach Inspiration umsehen werde, falls er sich nicht bessert. Ich wage zu behaupten, daß er Euch genauso vernachlässigt wie mich, sobald sich dieser Seregil in der Nähe aufhält. Ich frage mich allmählich …«
Mit perfekt gewölbter Augenbraue ließ sie den Gedanken unbeendet im Raum hängen. Dann überraschte sie ihn mit einem brüsken, beinahe mütterlichen Tätscheln seines Arms. »Falls Ihr einmal nicht wißt, was Ihr mit Eurer Zeit anfangen sollt – mein Angebot steht noch immer.«
»Angebot?«
»Oh, schämt Euch!« zwinkerte sie mit gespielter Schüchternheit. »Diese ylanischen Levitationsgesänge, die ich Euch lehren wollte? Ihr seid noch immer nicht bei mir gewesen, und Ihr schient so begierig, als wir uns das letzte Mal darüber unterhielten. Ich habe noch ein paar andere magische Kunststücke, die Ihr sicher genießen würdet. Dinge, die Nysander Euch nicht lehren kann. Ich würde Euch ja gerne auf der Stelle eines davon zeigen, doch ich benötige meine eigenen Zutaten. Ihr müßt mit mir in meine Gemächer kommen. Ihr wollt doch nicht, daß ich die Geduld mit Euch verliere, oder vielleicht doch?«
»Nein, nein, überhaupt nicht!« beeilte sich Seregil zu sagen. »Ich komme, sobald ich kann. Ehrenwort.«
»Ihr seid ein guter Junge.« Sie berührte sittsam seine Wange mit der ihren, dann ging sie hinaus und hinterließ eine Spur von Parfum in der Luft.
Bei Illiors Fingern! dachte Seregil beeindruckt. Was sie durch Theros Verführung zu gewinnen erhoffte, lag außerhalb seines Begriffsvermögens, doch je früher Nysander davon erfuhr, desto besser.
Zu seiner Enttäuschung schien Nysander eher amüsiert als bestürzt.
»Worüber regst du dich derart auf?« erkundigte er sich. »Heute morgen erst hast du selbst ein derartiges Verhalten Theros befürwortet.«
»Nun ja, aber nicht mit der Geliebten seines Herrn!« platzte Seregil heraus.
»Es sieht dir gar nicht ähnlich, so tugendhaft zu reden«, konterte Nysander. »Ich schätze deine Bedenken, doch sie sind ungerechtfertigt. Die liebliche Ylinestra und ich stellen keine weitergehenden Besitzansprüche aneinander als an den Wind. Ich fühle mich zwar geschmeichelt, daß sie tatsächlich Freude an meiner Gesellschaft zu genießen scheint, doch es ist meine Magie, die sie in erster Linie interessiert. Sie hat mir ein paar reizvolle Aspekte ihrer eigenen Kunst gezeigt, doch dir sollte es von allen Leuten am ehesten einleuchten, worin mein wirkliches Augenmerk an ihr besteht.«
»Sie ist gut im Bett.«
»Unbeschreiblich, mein lieber Junge! Und da weder sie noch ich mehr verlangen, als der andere zu geben bereit ist, sind wir recht zufrieden mit unserem Arrangement. Im Grunde genommen ist Ylinestra ein eingebildetes Wesen, dessen sexuelle Vorlieben sich eher auf das Verführen unschuldiger junger Männer erstrecken.«
»Sie ist eine femme fatale, in Ordnung. Aber mir gegenüber hat sie sich stets sehr unterkühlt verhalten.«
Nysander stieß ein trockenes Kichern aus. »Ich würde dich auch kaum als unschuldig bezeichnen. Ich vermute, die gute Ylinestra bevorzugt Liebhaber mit einfacheren Vorlieben als denen, die dein Ruf nahelegt. An deiner Stelle würde ich ein Auge auf Alec richten. Sie würde ihn am liebsten … wie lautet noch gleich dieser blumige Ausdruck, den Micum so gerne verwendet?«
»›Auf einem goldenen Teller
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