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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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rannte. Er wich hastig zurück und erkannte zwei große Gestalten, die sich irgendwie in seiner Zelle materialisiert hatten. Für einen fröstelnden Augenblick kehrte seine Erinnerung zurück zu jener einsamen mykenischen Herberge und der dunklen Erscheinung, mit der er dort zusammengeraten war; dann erfaßte seine Nase den vertrauten Geruch von Pergament und Kerzenduft.
    »Nysander?«
    »Ja, ich bin’s, mein lieber Junge, und Thero.« Er zog Seregil zur Rückwand der Zelle und flüsterte ihm ins Ohr. »Thero ist mitgekommen, um deinen Platz einzunehmen.«
    »Wie das?«
    »Keine Zeit für Erklärungen. Nehmt euch an den Händen.«
    Seregil unterdrückte eine Flut von Fragen und tat, wie Nysander ihm geheißen. Theros Hände waren kühl und ruhig. Nysander berührte beide an den Schultern und begann mit einer lautlosen Beschwörung.
    Die Transformation ging mit schwindelerregender Schnelligkeit vonstatten.
    Für eine winzige Zeitspanne schienen sich die Schatten in der Zelle zu erhellen, zu wirbeln, alle drei zu umfassen – und als Seregils Blick wieder klar wurde, fand er sich auf der anderen Seite der Zelle wieder und sah sich einer schlanken, nur allzu vertrauten Gestalt gegenüber.
    Er hob eine Hand an das Gesicht und spürte einen rauhen Bart, der hagere Wangen bedeckte.
    »Bei Bilairys Eiern und Eingeweiden …!«
    »Leise!« zischte Nysander.
    »Sei nur vorsichtig mit meinem Körper!« warnte Thero und betastete sein eigenes neues Gesicht.
    »Ich bin genauso begierig, wieder in den meinen zurückzukehren wie du, glaub mir!« Seregil erschauerte und schwankte ein wenig in seiner neuen, größeren Gestalt. Er ahnte bereits, was als nächstes kam, und er fürchtete sich davor.
    Nysander nahm ihn mit festem Griff am Arm und führte ihn zur Rückwand der Zelle. Seregil atmete zögernd tief durch, straffte die Schultern und trat vor in die Öffnung, die schwärzer als die schwärzeste Nacht vor ihm gähnte – und stolperte blinzelnd und würgend auf der anderen Seite hervor, hinein in die Helligkeit von Nysanders Zauberkammer.
    »Nur ruhig, ich halte dich fest«, sagte Micum und fing ihn auf, als seine Knie nachgaben. »Alec, der Brandy. Und den Eimer, er sieht aus, als …«
    Seregil krümmte sich einen Augenblick lang über den Messingeimer und kämpfte gegen den intensiven Brechreiz an, den der Zauberspruch hervorgerufen hatte; Translokationssprüche verursachten bei weitem die schlimmsten Nachwirkungen. Dann richtete er sich wieder auf und nahm dankbar den angebotenen Becher Brandy entgegen.
    Alec starrte ihn mit großen Augen an. »Seregil, bist du das wirklich dort drinnen?«
    Seregil untersuchte die bleichen, knochigen Finger, die den Becher hielten, dann stürzte er die feurige Flüssigkeit in einem einzigen Schluck hinunter. »Grauenhaft, nicht wahr?«
    »Thero war von der Aussicht ebensowenig begeistert wie du«, seufzte Nysander. »Allerdings war er im Gegensatz zu dir wesentlich freundlicher.«
    »Vergib mir«, erwiderte Seregil. »Ich bin heute abend nicht ganz ich selbst.«
    Alec starrte ihn noch immer an. »Du hast Theros Stimme, doch irgendwie … ich weiß nicht, es klingt trotzdem mehr nach dir … Ist es anders als damals, als du ein Otter warst?«
    »Entschieden anders.« Seregil blickte mißtrauisch an seinem neuen Körper hinab. »Es ist, als trüge man schlecht sitzende Kleider, die man nicht abstreifen kann. Thero trägt seine Unterwäsche ziemlich eng. Ich wußte gar nicht, daß du das kannst, Nysander!«
    »Es ist keine Kunst, die im Orëska besonders willkommen geheißen wird«, erwiderte der Zauberer mit einer bedeutungsvollen Geste. »Aber da meine Bemühungen erfolgreich waren, sollte ich vielleicht ein kleines Experiment wagen. Erinnerst du dich an den Spruch zum Entzünden einer Kerze?«
    »Du willst, daß ich ihn ausprobiere, während ich in diesem Körper stecke?«
    »Wenn du die Güte hättest?«
    Nysander stellte eine Kerze auf den Zaubertisch. Seregil erhob sich und streckte die Hand über die Kerze.
    Micum zerrte verstohlen an Alecs Ärmel und flüsterte: »Vielleicht sollten wir ein wenig zurücktreten, nur für den Fall.«
    »Das habe ich gehört!« murmelte Seregil. Er konzentrierte sich auf den schwarzen Docht und sprach die Formel.
    Das Ergebnis war überwältigend. Mit berstendem Geräusch zerriß der glänzende Tisch in der Mitte und fiel in zwei saubere Hälften auseinander. Die Kerze, noch immer ohne zu brennen, klapperte zu Boden.
    Schweigend betrachteten sie für

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