Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Überraschungsangriff auf skalanische Truppen gestartet.
»Wenn ich so was höre, juckt es meine alten Finger sogar heute noch, eine Bogensehne zu spannen«, meinte Thryis wehmütig dazu, als ihre Familie und Rhiri sich abends in der Küche versammelten. »Ich erinnere mich noch an die Schlacht, die wir oberhalb von Ero gefochten haben. Ein klarer Sommermorgen, kein Lüftchen, das die Pfeile verwehen konnte und wir zu Hunderten mit unseren Langbögen in einer Reihe hinter der Infanterie. Als wir losschossen, fielen die Plenimaraner wie Getreideschwaden unter einer Sichel.«
»Diesmal werden sie in Schlamm und Regen kämpfen, wenn es schon so früh losgeht. Ich frage mich, wie Micum Cavishs Mädel zurechtkommt …« Überrascht brach Diomis den Satz ab, als er eine Träne über die Wange seiner Tochter kullern sah. »Aber Cilla, du weinst ja. Was ist denn los, Liebes?«
Cilla wischte sich über die Wange, drückte ihr Kind an sich und schwieg.
»Luthas Vater ist auch Soldat, nicht wahr, Liebes?« fragte ihre Großmutter sanft und tätschelte die Schulter des Mädchens.
Stumm nickte Cilla, dann eilte sie mit Luthas in den Armen die Hintertreppe hinauf.
Diomis erhob sich, um ihr zu folgen, doch Thryis hielt ihn zurück. »Laß sie, Sohn. Sie hat noch nie über den Mann gesprochen; und ich glaube kaum, daß sie jetzt dazu bereit ist.«
»Weißt du etwas über ihn?« erkundigte er sich und kratzte sich nachdenklich am Bart. »Man sollte meinen, sie würde uns mehr über den Burschen erzählen, wenn ihr soviel an ihm liegt, daß sie jetzt um ihn weint. Was glaubst du, wieso macht sie so ein verfluchtes Geheimnis daraus?«
»Wer weiß? Ich dachte immer, er hätte sie sitzenlassen, aber dann würde sie seinetwegen wohl kaum eine Träne vergießen. Na ja, Cilla war in derlei Dingen schon immer sehr eigen.«
Eine Weile saßen sie schweigend da und lauschten dem Knistern des Feuers. Dann klopfte Rhiri mit dem Löffel auf den Tisch und machte mit der Hand ein Zeichen.
»Nein, ich habe seit gestern nichts mehr von ihnen gehört«, antwortete Thryis. »Alecs Patch war heute morgen verschwunden, aber Seregils beide Pferde stehen noch im Stall, oder?«
Rhiri nickte.
»Ich würde mir wegen der beiden keine Sorgen machen«, meinte Diomis. »Geh du ruhig zu Bett, Mutter. Rhiri und ich kümmern uns hier unten um alles.«
»Vergewissert euch, daß die Türen verriegelt sind«, warnte ihn Thryis, als er ihr auf die Beine half. »Und Rhiri, vergiß nicht, das Öl in die Laternen draußen nachzufüllen. Bei all der Aufregung heute könnte dem einen oder anderen der Sinn nach Unfug stehen. Ich will, daß der Hof hell erleuchtet ist.«
»Aye, machen wir, Mutter«, seufzte Diomis. »Kümmern wir uns denn nicht schon seit zwanzig Jahren darum, daß nach Sperrstunde alles seine Ordnung hat? Rhiri, geh raus und sieh im Stall nach. Ich mache im Vorderzimmer Schluß.«
Rhiri salutierte kurz, dann trat er durch die Speisekammertür hinaus in den Hinterhof.
Im Vorderzimmer überprüfte Diomis den Riegel an der Tür und löschte die Lampe. Das Feuer im Kamin war verloschen; da nur zwei Gäste die Herberge bewohnten und diese bereits früh schlafen gegangen waren, hatte er sich nicht die Mühe gemacht, Holz nachzulegen. Er sah gerade nach den Haken der Fensterläden, als er das vertraute Klappern des Riegels der Eingangstür hörte.
Diomis spähte durch die Spalte zwischen den Lädenflügeln, erblickte jedoch keine Pferde auf dem Hof.
»Wer ist da?« rief er.
Keine Antwort, nur ein scharrendes Kratzen an der Tür.
Diomis hatte in dieser Nacht keine Geduld für dumme Spielchen. »Wir haben geschlossen! Versucht es zwei Straßen weiter im Rowan Tree.«
Abermals klopfte der ungesehene Besucher, diesmal nachdrücklicher.
»Also hört mal …« begann Diomis, doch das Bersten der Küchentür, die aus den Angeln nach innen flog, schnitt ihm das Wort ab.
31
Der erste Schlag
Überrascht erblickte Alec, der sich auf einer Hügelkuppe nördlich von Watermead befand, in der Ferne eine lange Fackelreihe. Als der Troß näherkam, erkannte er, daß es sich um eine Reitereikolonne unter dem roten und goldenen Banner des Regiments der Roten Schlange handelte. Als er sich dem ersten Reiter der Vorhut näherte, zügelte er das Pferd und sprach den Soldaten an.
»Was ist denn los?« rief er ihm zu.
Der Soldat verlangsamte sein Roß. »Der Krieg, Sohn. Der Krieg hat begonnen. Sag’s jedem weiter, den du triffst.«
»So früh schon?
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