Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Um diese Jahreszeit?« entfuhr es Alec.
»Sieht so aus, als suchten die Bastarde nach Streit«, erwiderte der Mann grimmig. »Ein plenimaranisches Überfallkommando hat einen unserer Reitereitrupps oben im mycenischen Hügelland in einen Hinterhalt gelockt. Wir sind auf dem Weg nach Norden, um uns der Reiterei der Königin anzuschließen. Es heißt, die hätten wie immer das ärgste Fett abbekommen.«
»Die Reiterei der Königin? Ich kenne jemanden in diesem Regiment. Kannst du eine Nachricht für mich überbringen?«
»Keine Zeit, Sohn«, entgegnete der Soldat und gab dem Pferd die Sporen, als die Kolonne ihn einholte.
Die über hundert Reiter trugen rote und goldene Tapperts über den Kettenhemden, und an den riesigen, schwarzen Pferden klirrten das Geschirr und Brustpanzer. Dann verschwanden sie gleich einer geisterhaften Erscheinung in der zunehmenden Düsternis hinter der Hügelkuppe.
»Der Schöpfer sei gnädig, da seid Ihr ja endlich!« rief Arna aus und kam in den Hof, um ihn zu begrüßen. »Hattet Ihr unterwegs Ärger?«
Alec hatte es zu eilig, um die Frage ausführlich zu beantworten. »Sag diesem Ranil nur, daß er bloß niemanden mehr dort lang schicken soll«, erwiderte er und führte Micums Schwarzen in den Stall. »Aber auf dem Rückweg habe ich Neuigkeiten erfahren. Der Krieg ist ausgebrochen.«
Arna riß die Hände an die runzligen Wangen. »Oh, meine arme Beka! Sie ist ja schon oben an der Grenze. Glaubt Ihr, sie wurde bereits in Kampfhandlungen verwickelt?«
Alec brachte es nicht übers Herz, die alte Frau zu belügen. Er drehte sich um und faßte sie an den Schultern. »Der Soldat, der es mir gesagt hat, meinte, die Reiterei der Königin wäre darin verstrickt worden, ja. Micum wußte noch nichts davon; die Nachricht war noch nicht bis zu Warniks Anwesen durchgedrungen. Wahrscheinlich erfährt er es ohnehin bald, aber falls er es noch nicht weiß, wenn er zurückkommt, erzählst du es zuerst Micum, damit er es Kari beibringen kann, ja?«
»Mach ich, mein lieber Junge, mach ich«, seufzte Arna und tupfte sich mit dem Zipfel des Umhängetuchs die Augen ab. »Hab’ ich’s denn nicht immer gesagt? Sie mußte sich ja unbedingt bei der Armee verpflichten, und jetzt ist sie mitten in den ersten Wirren gelandet. Und dabei ist sie noch nicht mal zwanzig.«
»Sie ist eine gute Soldatin«, sagte Alec, womit er sich selbst ebenso zu beruhigen versuchte wie sie. »Zuerst hatte sie jahrelang Micum und Seregil als Lehrer, und dann Myrhini – eine bessere Ausbildung kann man kaum erhalten.«
Arna drückte seinen Arm. »Der Schöpfer steh Euch bei, Herr. Ich hoffe, Ihr habt recht. Ich hole Euch etwas zu essen für unterwegs. Reitet bloß nicht los, bevor ich damit zurück bin, hört Ihr?«
Als er den geliehenen Sattel auf Patchs Rücken verzurrt hatte, kehrte sie mit einem in ein Leinentuch gewickelten Proviant und mehreren Fackeln zurück. Alec stieg auf und entzündete eine der Fackeln an einer Hoflaterne, dann nahm er unter einem bewölkten, mondlosen Himmel das letzte Stück nach Rhíminee in Angriff. Unterwegs stieß er auf weitere Reitereikolonnen und Fußsoldaten, hielt jedoch nicht inne, um sich nach Neuigkeiten zu erkundigen.
Kurz vor Mitternacht gelangte er in Sichtweite der Stadt. Die Hochstraße folgte den Felsen über dem Meer, und von hier aus hatte er einen guten Ausblick über den Hafen, wo entlang der Kais eine Reihe von Wachfeuern brannte, die einen hellen, flackernden Schein auf das dunkle Wasser warfen. Weitere Leuchtfeuer loderten auf den Inseln an der Hafenmündung, und auf den Stadtmauern waren überall Fackeln angezündet worden.
Das schwer bewachte Nordtor stand offen, damit ungehindert Truppen passieren konnten. Auf dem Erntemarkt dahinter sah es aus, als wäre dort bereits eine Schlacht ausgetragen worden. Nur ein Haufen Holztrümmer und zerknüllte Fetzen bunten Segeltuchs erinnerten an die Stände und Buden, an denen Alec noch an diesem Morgen vorbeigeritten war. Trotz der späten Stunde arbeiteten überall Soldaten, errichteten Bailisten und verräumten Müll. Wie es schien, würden die Händler von nun an ihren Geschäften unter offenem Himmel oder von der Ladefläche ihrer Karren aus nachgehen müssen.
Alec lenkte Patch durch das Gewirr auf dem Marktplatz, dann ritt er durch den Irrgarten der dahinter befindlichen Seitengassen in die Blaufischstraße. Durch die vorderen Fensterläden schimmerte noch Licht, allerdings hatte Rhiri über all der Aufregung die
Weitere Kostenlose Bücher