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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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durch die ihn umgebende Nabelschnur, und sie klingen anders.
    Entfernt.
    Nicht zum Fluß gehörig.
    Unzählige, schwarz gefiederte Kehlen stimmen einen ohrenbetäubenden, gemeinsamen Schrei an, der zu einem tosenden, wahnsinnigen Gelächter anschwillt und wieder verhallt, als der Fluß weiterzieht.
    Menschliche Schreie, Stimmen, die in jeder Sprache der Welt aufbrüllen.
    Der Lärm einer Schlacht.
    Unmögliche Explosionen.
    Er vergräbt sich tiefer in der Nabelschnur, aber die störenden Geräusche folgen ihm und schwellen zu einem furchtbaren Crescendo an, bevor sie ebenso rasch verstummen, wie sie aufgebraust waren.
    Erwartungsschwangere Stille.
    Schließlich kriecht ein weiteres Geräusch zwischen den Fasern hindurch; Seregil kennt dieses Geräusch, und unerklärlicherweise erfüllt es ihn mit größerem Entsetzen als alles andere.
    Es ist das träge Rauschen einer Brandung …
    »Seregil?«
    Der Klang Micums besorgter Stimme durchbrach die Vision und holte ihn jäh zurück in die Wirklichkeit der engen Kammer.
    »Alles in Ordnung da drin?« rief Micum abermals.
    »Ja. Ja, sicher«, antwortete Seregil heiser, wenngleich er sich plötzlich miserabel fühlte, trunken wie zehn Leichtmatrosen auf Landurlaub.
    Schwerfällig erhob er sich, taumelte zurück zu der Öffnung und zwängte sich hindurch. Micum half ihm auf die Beine, aber die schienen noch nicht bereit, ihn zu tragen. Mit dem Rücken an der Wand rutschte er zu Boden und stützte die Ellbogen auf die Knie.
    »Was ist da drin passiert?« wollte Micum wissen und musterte ihn unverhohlen besorgt. »Du siehst alles andere als gut aus.«
    »Keine Ahnung.« Da war etwas gewesen, ein kurzes Aufflackern von – was? Weg, nichts.
    Seregil rieb sich mit den Fingern durch die Haare, um den Kopf klar zu bekommen. »Es muß wohl eine Restwirkung von Nysanders Magie gewesen sein, oder vielleicht die schlechte Luft. Mir ist nur ein bißchen schwindlig geworden. Jetzt geht’s mir wieder besser.«
    »Du hast irgend etwas von einem Regal da drinnen gesagt«, sagte Micum. »Hast du etwas gefunden?«
    »Nur die Abdrücke. Von der Münze, der Krone und der Schale.«
    »Welcher Schale?«
    Blinzelnd schaute Seregil zu Micum auf. »Keine Ahnung. Ich – ich weiß es einfach.«
    Zum ersten Mal, seit Seregil von Nysanders Prophezeiung erfahren hatte, spürte er einen leichten, eiskalten Hauch der Angst, doch ein plötzlicher Anflug grimmiger Entschlossenheit fegte sie hinweg.

 
34
Blitze aus heiterem Himmel
     
     
    Das Geschmetter von Schlachthörnern riß Beka kurz nach der Morgendämmerung aus dem Schlaf. Hastig ergriff sie ihr Schwert und stürmte aus dem Zelt.
    »Zu den Waffen! Zu den Waffen!« brüllte ein Kurier, der durch das Lager galoppierte. »Ein Angriff aus den Hügeln im Osten. Zu den Waffen!«
    Schützend hielt Beka die Hand über die Augen und spähte über die Ebene, die sich zwischen dem Lager und einer etwa eine Meile östlich gelegenen Hügelreihe erstreckte. Obwohl sie gegen die Sonne schaute, erkannte sie in der Ferne dunkle Ränge aus Reitern und Fußsoldaten, vermutlich ein ganzes Regiment.
    Die Reiterei der Königin verfügte nach wie vor nur über ihre halbe Truppenstärke; die Wolf-Schwadron patrouillierte entlang der Versorgungsroute, die sich zur zwanzig Meilen südlich gelegenen, mycenischen Küste hinabwand.
    Feldwebel Braknil eilte voll bewaffnet und mit knisterndem Bart herbei. »Was ist denn los, Leutnant?«
    »Seht da«, sagte Beka und deutete ihm die Richtung.
    »Verflucht! Dabei haben die Kundschafter der Adler-Truppe gestern behauptet, diese Hügel wären feindfrei.« Die Grenze zu plenimaranischem Gebiet befand sich mehr als zwanzig Meilen weiter östlich.
    Die restlichen Soldaten der Turma krabbelten aus den Zelten, einige bereits kampfbereit, andere weniger.
    »Volle Rüstung!« gellte Beka und stürzte zurück hinein, um sich fertig anzuziehen. Draußen hörte sie, wie Portus, Braknil und Mercalle ihren Reitern zubrüllten. »Lanzen und Schwerter! Macht schon, jetzt geht’s rund!«
    Wenige Minuten später saßen alle dreißig Reiter auf ihren Pferden und waren bereit. Die Kettenhemden und die Insignien in Form eines weißen Rosses und eines Schwertes auf der Vorderseite der grünen Tapperts funkelten verwegen im Licht der frühen Morgensonne. Zufrieden ließ Beka den Blick über die Reihen schweifen, dann führte sie ihre Leute hinüber zu Hauptfrau Myrhini, die sie mit dem Standartenträger der Truppe erwartete. Leutnant Koris’ Zweite

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