Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
kurz zugesehen. Wart ihr erfolgreich?«
»Mehr oder weniger.« Nysander schien es nicht eilig zu haben, sich zu erklären, doch er hatte offensichtlich an etwas gearbeitet. Sein kurzgeschorener, grauer Bart war in Mundnähe mit Tinte bekleckst, und er trug einen der abgewetzten, alten Hausmäntel, die er vorzugsweise dann anlegte, wenn er die Nacht durchwerkte. Umgeben von der überwältigenden Bücher- und Kuriositätensammlung, die den Raum beherrschte, mochte man ihn beinahe für einen heruntergekommenen Gelehrten halten, der sich zufällig hierher verirrt hatte.
»Mir ist aufgefallen, daß Alec besser aussieht«, meinte Nysander.
»Er erholt sich allmählich. Aber seine Haare bereiten mir Sorgen. Bis zum Sakorfest muß er wieder herzeigbar sein.«
»Sei froh, daß er keine schlimmeren Verletzungen davongetragen hat. Aus dem zu schließen, was Klia und Micum mir erzählt haben, kann man von Glück reden, daß er überhaupt noch lebt. Ah, und bevor ich es vergesse, ich habe für euch beide etwas von Klia und der Königin.« Der Magier überreichte Seregil zwei Samtbeutel. »Eine öffentliche Belobigung ist natürlich ausgeschlossen, aber sie wollten euch trotzdem ihren Dank auszudrücken. Der grüne Beutel ist für dich.«
Seregil hatte derlei Belohnungen schon des öfteren erhalten.
In der Erwartung, ein weiteres Schmuckstück oder Juwel vorzufinden, öffnete er den kleinen Beutel. Was er darin erblickte, verschlug ihm die Sprache.
Es war ein Ring, ein höchst vertrauter Ring. Der große, glatte Rubin in der massiven Fassung aus Aurënfaie-Silber schimmerte wie Wein, als er ihn dichter ans Feuer hielt. »Bei Illiors Licht, Nysander, das ist einer der Ringe, die ich Corruth í Glamiens Leichnam abgenommen habe«, stieß Seregil hervor, als er endlich die Stimme wiederfand.
Nysander beugte sich vor und faltete die Hände. »Er war dein und Idrilains Blutsverwandter, Seregil. Sie fand, der Ring wäre eine angemessene Belohnung dafür, daß du das Rätsel um sein Verschwinden gelöst hast. Sie hofft, daß du ihn eines Tages in allen Ehren bei deinem Volk tragen kannst.«
»Bestell ihr meinen Dank.« Ehrfürchtig schob Seregil den Ring zurück in den Beutel. »Aber deshalb hast du mich doch nicht aus dem Bett gezaubert, oder?«
Kichernd lehnte sich Nysander zurück. »Nein. Ich hätte da eine Aufgabe, die dich vielleicht interessiert. Aber bevor ich sie dir erkläre, muß ich einige Bedingungen stellen. Entweder stimmst du ihnen zu, oder ich schicke dich sofort zurück und lösche deine gesamte Erinnerung an dieses Treffen.«
Seregil blinzelte überrascht. »Na, das muß aber eine Aufgabe sein. Warum hast du Alec nicht hergeholt?«
»Darauf komme ich gleich zu sprechen. Ich kann dir erst antworten, wenn du den Bedingungen zugestimmt hast.«
»Na schön. In Ordnung. Wie lauten sie?«
»Erstens: Du darfst ohne meine Erlaubnis keine Fragen stellen.«
»Warum nicht?«
»Und zwar von jetzt an.«
»Oh, schon gut. Was noch?«
»Zweitens: Du mußt völliges Stillschweigen über die Aufgabe bewahren. Niemand darf von dieser Angelegenheit erfahren, ganz besonders nicht Alec oder Micum. Gibst du deinen Eid darauf?«
Eine Weile musterte Seregil den Zauberer schweigend; in letzter Zeit wurde es zunehmend schwierig, vor Alec etwas geheimzuhalten. Und dennoch: wie sollte er sich dem Bann einer derart geheimnisvollen Aufgabe entziehen?
»Na schön. Du hast mein Wort darauf.«
»Deinen Eid«, beharrte Nysander mit ernster Miene.
Kopfschüttelnd streckte Seregil den linken Arm mit der Handfläche nach oben vor sich aus. »Asurit betuth dös Aura Elustri kamar sösui Seregil í Korit Solun Meringil Bôkthersa. Zudem schwöre ich bei meiner Ehre als Beobachter. Reicht das?«
»Du weißt, ich würde dir solche Bedingungen nie und nimmer ohne triftigen Grund auferlegen«, schalt der Zauberer Seregils spitze Bemerkung.
»Trotzdem habe ich das Gefühl, daß es in letzter Zeit immer häufiger vorkommt«, gab Seregil mürrisch zurück. »Darf ich jetzt Fragen stellen?«
»Ich werde beantworten, so viel ich kann.«
»Warum ist es so wichtig, daß Alec und Micum nichts davon erfahren?«
»Weil ich, wenn du auch nur ein Sterbenswörtchen dessen weitergibst, was ich dir gleich offenbare, euch alle töten muß.«
Obwohl Nysander die Worte ruhig aussprach, trafen sie Seregil wie ein Hieb in die Magengrube; er kannte den Zauberer schon zu lange, um den Ernst seiner Aussage zu verkennen. Einen Augenblick hatte Seregil das
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